: Über die Menschenrechte wird nur diskutiert
■ Die UN-Kommission muß sich auf der 53. Sitzung wachsender Skepsis erwehren
Genf (taz) – Wirksame Institution zur Durchsetzung von Menschenrechten oder zunehmend politisiertes Spektakel ohne Folgen? Bei Beobachtern und regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) wächst die Skepsis gegenüber der UNO-Menschenrechtskommission, die gestern in Genf ihre sechswöchige Jahressitzung eröffnete. Auf der Tagesordnung dieser 53. Sitzung seit Gründung der Kommission 1946 stehen Berichte über die Menschenrechtssituation in Ruanda, Ost-Timor, Birma sowie den israelisch besetzten Gebieten. Auch mit Kindesmißbrauch wollen sich die 53 Mitgliedsstaaten, die alle drei Jahre neubestimmt werden, befassen.
Amnesty international und andere regierungsunabhängige Organisationen, die als Beobachter mit Rede- und Antragsmöglichkeit, aber ohne Abstimmungsrecht an der Kommissionssitzung teilnehmen, haben über die bisherige Tagesordnung hinausgehende Wünsche angemeldet. Die NGOs fordern, die Antifolterkonvention der UNO durch ein Zusatzprotokoll zu ergänzen, das unangemeldete Inspektionsbesuche in Gefängnissen und Haftzentren ermöglicht. Zudem drängen sie auf die Verabschiedung von Resolutionen zur Menschenrechtslage in Algerien, Kolumbien, Indonesien, Nigeria und China.
Die Chancen stehen derzeit lediglich im Fall Kolumbien und Nigeria nicht schlecht. Über Algerien hält Frankreich seine schützende Hand. Paris bestimmt die offizielle EU-Haltung, wonach eine Resolution die Regierung in Algier in ihrem Kampf gegen die Islamisten schwächen würde. Der Wille Deutschlands und seiner meisten EU-Partner zu einer Indonesien- Resolution scheitert voraussichtlich an den eigenen starken Wirtschaftsinteressen in dem südostasiatischen Land.
Zu China, das in den letzten sechs Jahren eine Verurteilung durch die Kommission mit immer knapperen Mehrheiten verhindern konnte, hat die EU zwar einen Resolutionsentwurf vorbereitet. Die USA werden den Entwurf möglicherweise unterstützen. Doch die chinesische Regierung tritt mit noch größerem Selbstbewußtsein auf, als bereits im letzten Jahr. In einem Schreiben an Bundeskanzler Helmut Kohl und den französischen Präsidenten Jacques Chirac warnte der amtierende Ministerpräsident Li Peng, nur wenn die EU in Genf auf die Einbringung oder Unterstützung einer Resolution verzichte, die China verurteile, sei Peking überhaupt zu einer Form des „Dialogs“ über Menschenrechte bereit. Andreas Zumach
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