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Über den TellerrandEin Foto mit Folgen

■ Der Kommunalwahlkampf in Niedersachsen gewinnt an Tempo

Der niedersächsische Kommunal-Wahlkampf hat begonnen. Zwei Wochen früher als geplant. Im Rotlicht-Milieu der Landeshauptstadt. Er startete mit einem parteipolitischen Fiasko und einer menschlichen Tragödie. Kurz vor dem Ziel kippte die CDU Hannover ihren Oberbürgermeister-Kandidaten Clemens Stroetmann. Nach der „Pigalle-Affäre“ – Stroetmanns Wahlkampftour durch Hannovers Etablissements und das gemeinsame Foto vom Kandidaten mit einer Prostituierten – bastelten die Partei-Strategen jetzt hastig aus „Stroetmann kommt“ das Motto „Rita rennt“. Stroetmann konnte, wie Augenzeugen berichten, in der entscheidenden Fraktionssitzung die Tränen nicht zurückhalten. Seine Ablösung, Rita Pawelski, stand schon in den Startlöchern.

„Stroetmann ist sehr niedergeschlagen“, sagt sein bisheriger Wahlkampf-Leiter Bodo Hollemann. Gleiches gilt für Hollemann selbst: „Alles war vorbereitet.“ Die Plakate müssen nun eingestampft werden. Doch außer in Stroetmanns unmittelbarer Umgebung hält sich die Trauer in Grenzen. Den meisten Einwohnern Hannovers wurde der Kandidat ohnehin erst durch negative Schlagzeilen bekannt, durch seinen Medien-Auftritt im Nachtclub „Pigalle“ vergangener Woche. „Ich hielt das Thema Rotlicht-Milieu von Anfang an für unglücklich“, klagt Hollemann. Stroetmann blieb stur.

Auch die CDU rückte immer weiter von ihm ab. Mit seinem Rücktritt kam Stroetmann einem Sturz durch die Kreis-CDU zuvor. Hinterher behauptete er sogar gekränkt, die Parteiführung habe seinen Rücktritt voreilig verkündet.

„Wir sind mit der Entscheidung zufrieden“, bekennt Hartwig Fischer, Generalsekretär der Landespartei, offen. Durch diese Wende werde Hannover zu einem „zusätzlichen Schwerpunkt“ im Kommunal-Wahlkampf. CDU-Landeschef Chris-tian Wulff lobt die Nachfolgerin Pawelski als „erstklassige Repräsentantin der Landeshauptstadt“ und sicherte ihr Unterstützung zu.

Den Rückenwind aus der Landespartei hatte das Stroetmann-Team bisher vermisst. „Wir hatten eine höhere Erwartung“, deutet Hollemann an. Auch Pawelski wurde in ihrem ersten Wahlkampf 1996 gegen den dienstältesten Oberbürgermeister Deutschlands von der Landespartei nicht verwöhnt. Jetzt erhält die 52 Jahre alte gelernte Sparkassen-Angestellte und Landtagsabgeordnete gegen Herbert Schmalstieg (SPD) eine zweite Chance. Vor fünf Jahren erreichte sie 39 Prozent der Stimmen und zwang Schmalstieg sensationell in die Stichwahl.

Pawelski, die auf einem Parteitag am 25. Juli offiziell bestätigt werden soll, muss nicht mehr bei null anfangen. Nach Stroetmanns Abgang habe sie viel Zuspruch erhalten. „Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Ich bin fast gerührt.“ Mit einer neuen Werbe-Agentur und frischen Themen will sie durchstarten. Nicht mehr Rotlicht-Viertel, sondern Familienpolitik und Wirtschaftsförderung nach der Expo sollen nun im Vordergrund stehen.

Schmalstieg, der seit 1972 im Amt ist, wird sich wärmer anziehen müssen. „Es wird nicht einfach, aber wir werden es trotzdem schaffen“, macht sich SPD-Fraktionschef Klaus Huneke Mut. „Mit Stroetmann war es relativ leicht, weil er als Person nicht richtig angekommen ist und sein Konzept nicht klar war.“ Pawelski gibt sich denn auch ehrgeizig: „Der Wahlausgang in Hannover ist mitentscheidend für die Landtagswahl.“

dpa

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