■ Kommentar: Über Nachhaltigkeit reden
Größer kann der Unterschied zwischen der Realität und ihrer Verdrängung nicht sein. Nachdem bereits eine Expertenkommission 1992 vor allzu großen Metropolenträumen gewarnt hatte, sieht nun das DIW sogar die Entwicklung Berlins zur „Hauptstadt mit großstädtischer Wirtschaftsstruktur“ in Gefahr. Gleichwohl präsentiert sich die Große Wachstumskoalition noch immer gerne als Große Zukunftskoalition.
Das Gegenteil wäre freilich vonnöten. Statt über Wachstum müßte endlich über nachhaltige Entwicklung geredet werden. Dabei müßte zunächst damit aufgehört werden, Nachhaltigkeit als „geordnetes Wachstum“ zu verstehen. Nicht nur die Berliner Wirtschaft schrumpft, auch die Berliner werden immer weniger. Erst kürzlich hat das Forschungsinstitut Prognos nicht nur eine Stadtflucht von 400.000 Personen ins Umland, sondern auch einen realen Bevölkerungsrückgang bis zum Jahr 2010 prognostiziert. Mit einem großangelegten Eigentumsprogramm oder einer Verdichtung der Innenstadt läßt sich Stadtflucht freilich ebensowenig verhindern wie sich neue Bewohner locken lassen. Es geht deshalb nicht um Quantität, sondern um Qualität. Das DIW hat vorbuchstabiert, was man darunter – nicht nur wirtschaftspolitisch – verstehen könnte: mehr Kompetenz in die Bezirke und nicht deren Zerschlagung, mehr Gewicht auf die lokalen Akteure statt weiterer Zentralisierung. Uwe Rada
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