USA gegen Europa bei der WM: Des Fußballs tektonische Platten
Viermal gewannen die US-Frauen die WM. Sie profitieren von einer historischen Entwicklung. Aber kann sich der Soccer weiter gegen Europa behaupten?
![Megan Rapinoe und andere US-Fußballerinnen jubeln bei der WM 2015 Megan Rapinoe und andere US-Fußballerinnen jubeln bei der WM 2015](https://taz.de/picture/6402862/14/imago0020292248h-1.jpeg)
Der US-Fernsehsender Fox wirbt damit, dass bei der anstehenden WM die US-Frauen gegen den Rest der Welt antreten. Etwas arrogant ist das, aber die US-Spielerinnen widersprechen dem nicht. Asiatische, afrikanische und lateinamerikanische Teams werden zwar immer auffälliger, aber vor allem dürfen wir uns auf einen Showdown zwischen Nordamerika (Kanada und USA) und Europa (Deutschland, Schweden, England, Frankreich, Holland und Spanien) einstellen.
Es sind zwei Fußballsysteme, die auf komplett unterschiedlichen Wegen zu dem wurden, was sie heute sind: Die nordamerikanischen Frauen traten in den 1970er Jahren in eine Fußballwelt, die ihnen sofort offen stand. Das lag an Reformen, wie dem in den USA enorm wichtigen Title IX, der Zugang zu allen Sportprogrammen an Schulen und Hochschulen gewährleistet.
Wichtig ist auch, dass männlich dominierte hegemoniale Mannschaftssportarten andere waren: Baseball, Football, Basketball und Eishockey. Die europäischen Frauen waren hingegen gezwungen, den wohl am stärksten von Männern dominierten Raum in ganz Europa zu erobern, den Fußball.
Nicht nur in den USA und Kanada, auch die Erfolge der Teams aus Nord- und Südkorea, China, Japan, Australien und in Europa auch Norwegen und Schweden sind der beste Beweis, dass es die Schwäche des Männerfußballs war, die den Frauenfußball stark machte.
Zwei unterschiedliche Nachwuchssysteme
In traditionellen Fußballmächten wie England, Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Niederlande oder Brasilien und Argentinien konnte sich der Frauenfußball schwieriger entwickeln. Umso erfreulicher, dass Europa mittlerweile die amerikanische Dominanz infrage stellen kann. Bereits bei der letzten WM wurde das Viertelfinale von sieben europäischen Ländern plus den Vereinigten Staaten bestritten. Diese Auseinandersetzung dürfte bei der anstehenden WM noch deutlicher zutage treten.
Heutzutage haben europäische Mannschaften wie Real Madrid, FC Barcelona, Bayern München, Manchester United, Manchester City und Olympique Lyon den Frauenfußball mit ganzem Herzen angenommen. Mit solchen Riesen kann die NWSL in den USA nicht mithalten. Hier bleibt der Frauenfußball weitgehend Jugendclubs, High Schools und Colleges vorbehalten.
Das klingt schwach, aber seien wir fair: Dieses System hat eine Fußball-Nationalmannschaft hervorgebracht, die seit über 30 Jahren, seit 1991, den Globus beherrscht. Damals gewann sie den ersten ihrer vier WM-Titel, obwohl die meisten Menschen in den USA mit Fußball nichts anfangen konnten und die meisten Menschen in Europa mit Fußballerinnen nichts anfangen wollten.
Es gibt immer noch diese zwei Systeme, wie talentierte Fußballerinnen entdeckt und gefördert werden. Was aber könnte in dieser Konstellation das nordamerikanische Pendant zu Real Madrid sein, dem reichen Überklub? Es sind die Tar Heels von der University of North Carolina in Chapel Hill, die 22 nationale Meisterschaften erkämpft haben. Die Frage, die sich bei der WM stellt, ist die, wie sich das amerikanische College-System künftig gegen Europa halten wird.
Andrei S. Markovits ist Politologe an der University of Michigan, Ann Arbor. Von ihm erschien gerade: „Women in American Soccer and European Football: Different Roads to Shared Glory“, Dickinson-Moses Press (2019, aktualisierte Neuauflage 2023), 184 Seiten, ca. 12 Euro.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören