US-kubanische Beziehungen: Kubas Flagge weht über Washington
Die kubanische Botschaft in Washington öffnet wieder. Ein weiterer Schritt, die Beziehungen der Länder zu normalisieren. Nicht allen passt das.
Die US-Regierung korrigiert eine Politik, die sowohl nach Ansicht von Präsident Barack Obama als auch in den Augen der Mehrheit der US-AmerikanerInnen gescheitert ist. Der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla und sein US-Kollege John Kerry wollen sich am Montagmittag treffen. Rodriguez, der erste kubanische Außenminister der Washington seit mehr als einem halben Jahrhundert besucht, hat zur Wiedereröffnung der Botschaft 500 Gäste geladen.
Der komplette amerikanische Kontinent – Nord wie Süd – hat seit Jahren nach der Wiederannäherung zwischen den beiden Ländern verlangt, die nur durch 150 Kilometer Meer getrennt sind. Am Ende vermittelte der Papst und auf kanadischem Boden fanden die ersten Gespräche zwischen den Nationen statt. Im Dezember schließlich verkündeten Obama und Raul Castro, dass sie eine Normalisierung der Beziehungen anstreben. Seitdem fanden die weiteren Gespräche in Havanna und Washington statt. In deren Verlauf strichen die USA Kuba von der Liste der Staaten, die Terrorismus unterstützen.
Die USA hatten die Beziehungen zu Kuba im Januar 1961 abgebrochen. Zwischen den beiden Ländern spielten sich einige der gefährlichsten Momente des Kalten Krieges ab. Darunter der gescheiterte Invasionsversuch in der Schweinebucht und die „Raketenkrise“ im Herbst 1962. Der damalige kubanische Chef Fidel Castro hatte die US-Botschaft in Havanna am Tag vor dem Abbruch der Beziehungen ein „Nest von Spionen“ genannt. Am Tag vor der Botschaftswiedereröffnung schrieb der mittlerweile 88-Jährige an Studenten: „Es ist unsere Pflicht, den Frieden zu verteidigen.“
„Kapitulation“ der US-Regierung
Widerstand gegen die diplomatische Öffnung kommt weiterhin aus Florida, wo ein großer Teil Exil-Kubaner lebt. Die alte Garde der Anticastristen in Miami, die Intrigen, Terrorakte und Mordpläne geschmiedet und organisiert haben, wehrt sich. Drei kubanisch-amerikanische Kongressabgeordnete, Ileana Ros-Lehtinen, Mario Diaz-Balart und Carlos Curbelo boykottieren den Festakt in Washington. Ros-Lehtinen spricht von einer „Kapitulation“ der US-Regierung vor den „nicht zu verantwortenden Forderungen eines Tyrannen-Regimes“. Auch die beiden republikanischen Präsidentschaftskandidaten aus Florida, Marco Rubio und Jeb Bush, sind kritisch.
Dagegen wünschen sich die meisten Angehörigen der zweiten und dritten Generation US-KubanerInnen bilaterale Beziehungen. Selbst Pepe Hernández, ein Veteran der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht und Präsident der „Cuban American National Foundation“, die weiterhin für eine Isolierung der Regierung von Kuba eintritt und lediglich direkte Kontakte zwischen den Bürgern wünscht, pflegt inzwischen einen gewissen Pragmatismus. Hernández wird zwar nicht an der Botschaftseröffnung teilnehmen. Sagt aber: „Für die USA ist es besser die Konfrontation zu beenden.“ Zwei Drittel der US-Öffentlichkeit – und 59 Prozent der RepublikanerInnen – befürworten die diplomatische Annäherung. Das zeigt unter anderem eine Untersuchung des Chicago Council of Global Affairs.
Allerdings führt die diplomatische Normalisierung nicht automatisch zu einem Ende des Embargos, auf das zahlreiche Investoren in den USA hoffen. Eine Aufhebung des Embargos kann nur mit Zustimmung des Kongresses erfolgen. Und der wiederum hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Bedingungen dafür in Gesetze eingeflochten. Sie sehen unter anderem vor, dass das Embargo nur aufgehoben werden darf, wenn die Entschädigungsforderungen aus den USA geregelt sind. Anfang der 60er Jahre hatte die US-Justiz rund 8.000 Anträge von enteigneten Land- und Industriebesitzern bewilligt. Nach heutigem Wert geht es dabei um mehr als 8 Milliarden Dollar.
Auslieferung von Assata Shakur?
Washington verlangt auch die Auslieferung von politischen Flüchtlingen in Kuba. Die prominenteste unter ihnen ist die 68-jährige Assata Shakur. Die ehemalige Black Panther wird wegen eines Polizistenmordes steckbrieflich gesucht. Allerdings hat die kubanische Chefunterhändlerin Josefina Vidal versichert, dass es keine Auslieferungen von politischen Flüchtlingen geben wird.
Umgekehrt verlangt Kuba die Schließung der US-Militärbasis in Guantánamo und die Zurückgabe des Landes. Außerdem stellt Kuba seinerseits finanzielle Forderungen in dreistelliger Millardenhöhe an die USA: wegen der Nachteile durch den jahrzehntelangen Handelsboykott.
In Havanna soll die US-Flagge später im Sommer gehisst werden. Außenminister Kerry wird dann nach Kuba reisen. Seine Chefunterhändlerin Roberta Jacobson, die die Verhandlungen der vergangenen Monate geführt hat, warnt schon jetzt vor zu viel Optimismus. „Die Dinge“, sagte sie im Juni in Washington, „werden sich nicht über Nacht ändern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt