US-VIZE SUCHT STILLSCHWEIGENDE ZUSTIMMUNG FÜR KRIEG GEGEN IRAK: Nahostkonflikt bleibt Nebensache
Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten, so scheint es, hat Dick Cheney die lange geplante Reise in die Region vermasselt. Ursprünglich wollte der US-Vize die Zustimmung der arabischen Regierungen für einen Angriff auf den Irak einholen. Stattdessen musste er sich Klagen über das mangelnde Engagement der USA im israelisch-palästinensischen Konflikt anhören. Tatsächlich musste Cheney nur etwas mehr Zeit als gewollt mit dem von der Bush-Regierung vernachlässigten Thema verbringen – auf der Tagesordnung hätte es ohnehin gestanden. Eine öffentliche Zustimmung für einen Militärschlag gegen den Irak hätte Cheney aber auch ohne die neu entflammte Gewalt im Nahen Osten nicht bekommen.
Unter dem Strich könnte der verschobene Fokus dem eigentlichen Sinn der Cheney-Mission sogar genutzt haben. Denn so konnten sowohl die USA als auch die arabischen Regierungen ihr Engegement für die Palästinenser öffentlich demonstrieren. Solidaritätsbekundungen der autokratischen arabischen Herrscher für einen Feldzug gegen Bagdad nutzen den USA nichts, wenn diese durch zu große gezeigte Nähe zu Washington die US-feindliche Opposition in den eigenen Ländern stärken. Darüber hinaus hat der US-Vize eine direkte Unterstützung für ein Irak-Abenteuer weder erwartet noch erhofft. Die USA sind, anders als 1991, nicht daran interessiert, möglichst viele Verbündete um sich zu scharen. Die Schlagkraft der US-Streitmacht ist heute ungleich stärker, die Abhängigkeit von Stützpunkten in der Region geringer und das irakische Militär deutlich schwächer. Auch politisch sind die USA in einer anderen Position als vor elf Jahren. Wegen der Erfahrungen mit dem Vietnam-Krieg musste die US-Administration damals eine internationale Golfkriegsallianz schmieden, um die Skeptiker im eigenen Land zu besänftigen. Was Washington heute von den arabischen – und den europäischen – Regierungen erwartet, sind keine Truppen, sondern die stillschweigende Zustimmung für einen Angriff der USA. Wenn es diesem übergeordneten Ziel dient, ist auch die Bush-Regierung bereit, Druck auf Israel auszuüben. Ein langfristiges Engagement im Nahostkonflikt bedeutet das nicht. ERIC CHAUVISTRÉ
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