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US-Strategie für AfghanistanObama sucht den Notausgang

Der US-Präsident will den Eindruck vermeiden, die USA würden auf ewig in den Afghanistan-Konflikt hineingezogen, und sucht eine Ausstiegsstrategie.

Denkt über eine Ausstiegsstrategie nach: US-Präsident Barack Obama. Bild: dpa

US-Präsident Barack Obama hat die Notwendigkeit einer Ausstiegsstragie für den Krieg in Afghanistan erklärt. "Wir suchen nach einer umfassenden Strategie. Aber wir brauchen auch eine Ausstiegsstrategie", sagte er am Sonntag im Sender CBS. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die USA auf ewig in den Afghanistan-Konflikt hineingezogen würden. Obama hat eine umfassende Überprüfung der US-Strategie am Hindukusch und die Ausarbeitung einer neuen unmittelbar nach seinem Amtsantritt in Auftrag gegeben. Sie soll dieser Tage vorgelegt werden, spätestens zur internationalen Afghanistan-Konferenz am 31. März in Den Haag oder beim anschließenden Nato-Gipfel in Straßburg.

Obamas Hauptziel ist, sicherzustellen, dass das mit den Taliban verbündete Terrornetzwerk al-Qaida nicht mehr die USA oder ihre Verbündeten angreifen kann. "Um dieser Priorität zu dienen, kann es eine ganze Reihe von Dingen geben, die wir machen müssen", sagte er. "Wir müssen vielleicht die wirtschaftliche Lage in Afghanistan verbessern. Wir müssen vielleicht unsere diplomatischen Anstrengungen in Pakistan verstärken."

Die Entsendung weiterer 17.000 Soldaten nach Afghanistan bezeichnete Obama als schwierigste Entscheidung seiner bisherigen Amtszeit. Denn dies habe er vor Abschluss der strategischen Neuausrichtung entscheiden müssen. Hauptbestandteile der neuen Strategie sind Medienberichten zufolge die Aufstockung von Afghanistans Militär und der Polizei, die Einbindung "moderater" Taliban und stärkere diplomatische Anstrengungen in der Region, vor allem gegenüber Pakistan. Doch gab es auch Berichte, Raketenangriffe auf mutmaßliche Talibanverstecke dort auszuweiten. Auch soll der zivile Wiederaufbau verstärkt werden.

Der britische Guardian berichtete am Montag von US-Überlegungen, Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai eine Art Premierminister zur Seite zu stellen, der einen Teil von Karsais Machtbefugnissen erhalten soll. Zudem sollten Hilfsgelder nicht mehr über die Regierung in Kabul ausgezahlt werden, sondern direkt in die Provinzen fließen.

Hinter den Überlegungensteht laut Guardian die Ernüchterung über Korruption und Inkompetenz der Karsai-Regierung. Weil es bei den für August geplanten Wahlen aber keine realistische Alternative zu Karsai gebe, werde dieser Weg seiner Machtbeschränkung erwogen. Obama müsse jetzt entscheiden, ob dies umgesetzt werden soll.

Laut Guardian würden europäische Regierungen dies gutheißen. "Es bedarf einer Dezentralisierung der Macht. Wir brauchen jemand nahe bei Karsai, eine Art Geschäftsführer, der Dinge bewegen kann, auf den wir uns verlassen können und der den Afghanen gegenüber rechenschaftspflichtig ist", zitiert die Zeitung einen europäischen Beamten. Afghanistans Verfassung sieht keinen Premierminister vor. Schon Karsai wurde bisher in Afghanistan als weitgehend machtlose US-Marionette gesehen.

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4 Kommentare

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  • CH
    Christian Hofmann

    Ja, also das mit dem Premierminister ... Vielleicht sollte die Bundesregierung zur Abwechslung mal einen Deal vorschlagen: wir setzen einfach Ed. Stoiber als Premier ein, schließlich ist der ja für Kompetenzen aller Art zuständig, und wären dann gleichzeitig entbunden, weitere Bundeswehrsoldaten hinzuschicken?

     

    Bei der "Demokratisierung" Afghanistans wird doch immer die gesellschaftliche Realität des Landes ausgeblendet. Im weitesten Sinne haben wir es hier doch mit einer komplexen, aber vorindustriellen Stammesgesellschaft zu tun, die sich nicht mal eben von der Metropole aus umkrempeln lässt.

    Deswegen scheint der Ansatz eines Aufbaus der afghanischen Wirtschaft hier weitaus vielversprechender. Allerdings sollte darüber nicht in Washington oder Straßbourg entschieden werden, sondern in Kabul (von der gewählten Regierung)!

  • DF
    Dr. Frank Steiner

    Wenn die amerikanischen und europäischen Truppen

    Afganistan in dem jetzigen Zustand ohne demokratische und gefestigte Armee allein lassen.

    Dann werden die Taliban nach Wiedererringung der absoluten Macht dieses Land in einen frühfeudalistischen Horrorstaat verwandeln.

  • MH
    Max Hoffmann

    Ich sehe den Herrn Obama schon fluchtartig Afghanistan durch die Hintertür verlassen (Vietnam läßt grüßen), unseren Kriegsminister Jung am Rockschoß und die zahlreichen toten Bundeswehrsoldaten in seinem Gepäck, die für Nichts ihr Leben lassen mußten, denn kaum daß Obama raus ist, kommen die Taliban durch das pakistanische Haupttor herein. Wer zieht Herrn Jung und die anderen Verantwortlichen der deutschen Regierung für diesen hirnrissigen Schwachsinn zur Verantwortung?

  • D
    Demokrit

    Da is aber jetzt was falsch gelaufen.

    Das mit der Demokratie war doch so gedacht, dass der Souverän (das Volk) einen oder mehrere Vertreter WÄHLT, der/die dann die politische Organisation und Verwaltung übernehmen.

    Was soll da denn jetzt dieser zweite Premierminister sein?

    Eine bessere Marionette des Westens, weil die alte zu zerfleddert is?

    Die Afghanen werden das jedenfalls so sehen. Und das ist ihnen ja auch nicht zu verdenken.

     

    Entweder, man will Demokratie, dann muss man sie aktzeptieren. Oder man will sie eben nicht, dann kann man getrost Kolonien auch mit Statthaltern verwalten. Das hat sich in Jahrtausenden bewährt, im Gegensatz zur Demokratie, die oft nur durch äußere Feinde am Leben gehalten werden konnte.

    Huarhuarhar!