US-Serien im deutschen TV: Für immer Al
Sie waren Al und Peggy Bundy: Ed O'Neill und Katey Sagal kratzen in „Modern Family“ und „Sons of Anarchy“ weiter an konservativen Familienidyllen.
Was hat die Frau nur gegen rote Haare? „Ich würde mir eher eine Glatze rasieren“, platzt es aus Gemma Teller Morrow (Kathey Sagal) zu Beginn der dritten Staffel der US-amerikanischen Erfolgsserie „Sons of Anarchy“ heraus.
Sagal spielt die Matriarchin des kalifornischen Bikerclubs Samcro – und ihre Abneigung gegen rote Haare hängt mit einer anderen Figur der jüngeren Fernsehgeschichte zusammen: Sagal war Peggy Bundy, diese aufgetakelte, Pralinen mampfende Frau aus der US-Sitcom „Eine schrecklich nette Familie“. Zehn Jahre lang teilte sie sich ab 1987 eine durchgesessene Fernsehcouch mit Loser Al (Ed O’Neill), ihr Markenzeichen: voluminös-auftoupierte rote Haare.
„Eine schrecklich nette Familie“ revolutionierte die Darstellung der Familie im US-Fernsehen und zerschredderte das konservative TV-Bild von der glücklichen Familienidylle. Die Serie machte Al und Peggy Bundy weltweit zu Popkultur-Ikonen und O’Neill und Sagal zu wohlhabenden Fernsehstars – mit einem Problem: Im kollektiven Gedächtnis hatten sie sich mit ihren Rollen als Al und Peggy eingebrannt, denen sie viele Jahre nicht entkommen konnten.
Eine echt krasse Type
Und nun spielt Sagal also die Anarcho-Bikerin Gemma – eine der stärksten Charaktere, die derzeit im Fernsehen zu sehen sind. Gemma ist ein „badass character“, eine echt krasse Type. Eine Frau in ihren Fünfzigern, die in ihren knappen Biker-Outfits trotzdem nicht lächerlich wirkt. Sie ist die Strippenzieherin hinter den dubiosen Geschäften der „Sons Of Anarchy“, und zwar nicht nur, weil sie die Frau des Präsidenten ist. Ihre Ziele setzt sie durch, notfalls mit der Waffe in der Hand.
Und O’Neill? Als er 2011 seinen Stern auf dem „Walk of Fame“ bekam, küsste ihn mit Sagal seine Serienvergangenheit auf die rechte Wange, auf der anderen Seite stand mit Sofía Vergara die Gegenwart.
Die Kolumbianerin ist O’Neills neue Serienehefrau in der Comedyserie „Modern Family“, der aktuell erfolgreichsten Sitcom in den USA. Es geht um eine Patchworkfamilie, in der drei unterschiedlichste Modelle von Familienleben zusammenkommen: von klassisch bis zum schwulen Paar mit adoptiertem Baby.
Bundy-Assoziationen
Mit der Rolle des Jay Pritchett kann O’Neill den Bogen vom Image „seines“ Al Bundy zum eigenen Werdegang spannen. Die Bundy-Assoziationen werden geradezu provoziert, wenn er neben seiner jungen Frau auf der Couch sitzt, doch die Figur des gelassenen Selfmademillionärs steht dem 66-Jährigen persönlich deutlich näher als die des desillusionierten Schuhverkäufers Al.
Sagal wiederum mag mit der brutalen Dramaserie „Sons of Anarchy“ zwar das Genre gewechselt haben, aber auch ihre Figur profitiert vom Spannungsfeld ihrer medialen und realen Vergangenheit.
Als Tochter des Regisseurs Boris Sagal lernte sie mit zwölf Jahren Elvis Presley kennen, arbeitete später als Studio- und Backgroundsängerin mit Bob Dylan, Bette Midler und „Kiss“-Bassist Gene Simmons. „Sons“-Schöpfer Kurt Sutter erweist ihrer Karriere eine Huldigung, indem er von ihr gesungene Stücke in den Soundtrack nimmt.
Letztendlich setzen O’Neill und Sagal die Tradition fort, die sie gemeinsam 1987 als Gegenentwurf zur „Bill Cosby Show“ etablierten: Sie erschüttern weiterhin genüsslich konservative Wertvorstellungen von der perfekten Familie.
Dienstag startet in Deutschland die zweite Staffel von „Sons of Anarchy“. Kabel 1 zeigt ab 22.10 Uhr eine Doppelfolge. Die dritte Staffel von „Modern Family“ will RTL Nitro Ende August fortsetzen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?