US-Schauspielerin Jennifer Coolidge: Die coolste Frau des Jahres
Einst prägte sie den Begriff MILF, heute ist sie Schwulenikone: Jennifer Coolidge beweist, dass selbst in Hollywood Frauen über 40 triumphieren können.
A uf Englisch gibt es dieses Wort: unapologetic, das leider schwer ins Deutsche zu übersetzen ist. „Unverfroren“, was einige Wörterbücher ausspucken, trifft es nicht wirklich, eher „zu keiner Entschuldigung geneigt“. Es bedeutet, sich nicht kleinmachen zu lassen, selbstbewusst durchs Leben zu gehen, sein Verhalten nicht zu bereuen oder sich gar dafür zu entschuldigen.
Das kann natürlich im negativen Sinne geschehen, aber eben auch sehr positiv gemeint sein. Selbstbewussten Frauen werden nach wie vor häufig Türen vor der Nase zugeschlagen. Umso mutiger und fortschrittlicher, wenn sie trotz allem mit einer unapologetic Einstellung auftreten. Wie zum Beispiel Jennifer Coolidge, der ich in jeder Hinsicht laut applaudieren möchte.
Coolidges Karriere ist unkonventionell verlaufen. Einem breiten Publikum wurde sie als Stiflers Mom in der High-School-Komödie „American Pie“ (1999) bekannt, einer sehr, sagen wir, sinnlichen Rolle. Der heutzutage geläufige Begriff MILF (für „Mom I’d Like to Fuck“, also eine attraktive ältere Frau = Mom, mit der junge Männer ins Bett gehen möchten) wurde durch sie popularisiert.
Danach geriet Coolidge wieder in Vergessenheit oder wurde allein in dem Rollentypus gecastet, der Stiflers Mom entsprach. Und dann geschah das Unglaubliche: Seit wenigen Jahren ist Jennifer Coolidge plötzlich wieder da, wird für ihre Schauspielkunst prämiert – wie etwa im Jahr 2022 mit einem Emmy für „The White Lotus“.
Obendrein hat sie sich zur Schwulenikone gemausert – die vielleicht größte Auszeichnung. Coolidge hat in ihrer Performance ein unglaubliches Gespür für Comedy und zudem den Mut, ihre Figuren mit einer gewissen Albernheit zu spielen. Nur um diese Darstellung wieder zu brechen und ihr eine tiefere Ebene hinzuzufügen. Zum Beispiel wenn in der Serie „White Lotus“, in der sie eine ichbezogene, oberflächliche Milliardärin spielt, aus Trauer über die verstorbene Mutter unvermittelt und aus vollstem Herzen ein „Mother, Mother, Mother“ aus ihr herauskommt.
Bis auf wenige Ausnahmen werden Frauen über 40 in der Film- und Fernsehwelt nahezu unsichtbar gemacht. Umso toller, dass Jennifer Coolidge mit ihrem für Hollywood höherem Alter (sie ist 61) jetzt durchstartet. Und auch privat geht sie selbstbewusst und unapologetic durchs Leben. In den vergangenen Jahren wurden witzige Details bekannt, etwa dass sie dank ihrer Rolle als Stiflers Mom angeblich mit 200 Menschen Sex hatte oder dass sie sich als Zwilling ausgegeben haben soll, um zwei Männer gleichzeitig zu daten. Und dass sie so tat, als sei sie Hemingways Tochter Muffin, um in Manhattans Clubs zu kommen.
Verzeiht mir den naheliegenden Wortwitz, aber Jennifer Coolidge ist einfach cool. Möge sie ein Vorbild sein und Studiobosse sich an ihr ein Beispiel nehmen und mehr Schauspielerinnen über 40 mehr Hauptrollen geben. Und mit diesem Wunsch verabschiede ich mich für dieses Jahr – einen guten Rutsch!
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