US-Sanktionen gegen Saudi-Arabien: Ein diplomatischer Balanceakt
Joe Biden braucht Saudi-Arabien, aber es darf nicht zu stark sein. Die neuen, seltsam halbherzigen Sanktionen könnten beides unter einen Hut bringen.
E inerseits ist es fast zum Lachen, was die US-Regierung unter Joe Biden da veranstaltet: Ein CIA-Bericht macht den saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman direkt für den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verantwortlich. Und daraufhin verhängt die US-Regierung Sanktionen gegen 76 Saudis, bloß nicht gegen den Kronprinzen. Deutlicher kann der Gegensatz zwischen rhetorischer Empörung und politischem Interesse kaum ausgedrückt werden.
Dieses Interesse allerdings wird in Washington derzeit neu definiert. Denn obwohl Bidens außenpolitisches Team vor allem aus Leuten besteht, die auch schon unter Obama führende Rollen hatten, haben sich die Verhältnisse seitdem doch verschoben.
Schon damals waren, genau wie heute, Israel und Saudi-Arabien die schärfsten Gegner des 2015 abgeschlossenen Nuklearabkommens mit dem Iran, aus dem Donald Trump 2018 ausstieg. Trump verstärkte die von Obama begonnene militärische Unterstützung Saudi-Arabiens im Stellvertreterkrieg in Jemen – die wiederum Biden jetzt ausgesetzt hat mit dem Ziel, den Krieg möglichst bald zu beenden.
Für beides – eine Lösung im Jemen und einen neuen Deal mit dem Iran – braucht Biden Saudi-Arabien, aber es darf nicht zu stark sein. Die seltsam halbherzigen Sanktionen könnten genau das bewirken: Sie sind ein schöner Vorwand, den Wunsch Saudi-Arabiens nach Teilnahme an neuen Iranverhandlungen abzulehnen – im Wissen, dass die Saudis am Verhandlungstisch jedes Abkommen verhindern würden. Riad, so die Botschaft, kann froh sein, überhaupt weiterhin US-Unterstützung zu erhalten.
Jedes Abwatschen Saudi-Arabiens wird andererseits als Stärkung der iranischen Position gesehen, und das kann Biden auch innenpolitisch in Bedrängnis bringen. Denn auch Teile der Demokrat*innen teilten die Kritik, das Atomabkommen von 2015 habe Irans Rolle als terrorunterstützende Regionalmacht nicht ausreichend adressiert. Aus diesem Balanceakt zwischen so vielen Abgründen entstehen dann solche seltsamen Sanktionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich