US-Sängerin Olivia Rodrigo in Berlin: Ein Weltstar wird erwachsen
Bei ihrem Berlin-Stopp ihrer Welttour „Guts“ hat Olivia Rodrigo alles gegeben. Der wahre Star war an diesem Abend das Publikum.
Während viele Erwachsene in Berlin nicht zu wissen scheinen, wer Olivia Rodrigo ist, feiert die Generation Z und Alpha sie am Samstagabend in der ausverkauften Uber-Arena in Berlin-Friedrichshain als das, was sie ist: ein Welt-Popstar. Als sie mit „bad idea, right?“ das Konzert eröffnet, über die Bühne rennt und zum Solo der Gitarristin headbanged, jubelt und kreischt das Publikum so laut, dass es ohne Ohropax kaum auszuhalten ist. Es braucht nur diesen einen Song, um klarzumachen: An diesem Abend sind alle Anwesenden bereit, alles zu geben.
Seit vier Monaten tourt Olivia Rodrigo nun mit ihrem zweiten Album „Guts“ – für das sie mit einem Grammy in der Kategorie „Best New Artist 2022“ ausgezeichnet wurde – erst durch die USA und nun durch Europa. Kurz vor Tourbeginn hat sie ihren 21. Geburtstag gefeiert.
Ihre Entwicklung vom Teenie zur Erwachsenen lässt sich an diesem Abend mit zwei aufeinanderfolgenden Balladen nachvollziehen, bei denen Olivia Rodrigo sich selbst an einem weißen Flügel begleitet. Sie lässt das Publikum nicht lange warten, bis sie „Drivers Licence“ singt, das Lied, das aus dem ehemaligen Disney-Star aus „High School Musical: Die Serie“ 2021 über Nacht eine erfolgreiche Sängerin machte. Heute zählt der Herzschmerz-Song zu den meistgestreamten der Welt. Darauf folgt „Teenage Dream“, zu dem im Hintergrund Videos aus ihrer Kindheit laufen. Eine Ballade über das Ende ihrer Teeniezeit, in der sie der Frage nachgeht, ob die besten Jahre ihres Lebens nun schon vorbei sind.
Den Wechsel zwischen rockigeren, fast punkigen Stücken zu soften Pop-Balladen gelingt ihr an diesem Abend scheinbar mühelos. Während sie gerade noch im glitzernden Minirock und Doc Martens Luftgitarre gespielt und Drumsticks in die Menge geworfen hat, sitzt sie im nächsten Moment auf dem Boden und singt begleitet von ihrer Gitarristin „Happier“ und „Favorite Crime“. Mal erinnert ihr Sound an Billie Eilish, dann wieder an Miley Cyrus oder Avril Lavgine – eine Rocksängerin, die ihren Durchbruch hatte, als Olivia Rodrigo noch nicht einmal geboren war.
Zwischen „love“ und „fuck“
Während sich das erste Album („Sour“) vor allem um Herzschmerz dreht, ist das zweite zwar nicht so melancholisch, aber nicht weniger nachdenklich, und behandelt Fragen des Frauwerdens, inklusiver weiblicher Selbstbestimmung, aber auch, wie sie mit all diesem Ruhm leben soll. An diesem Abend zeigt sie ihren Fans, dass nicht nur Genregrenzen, sondern auch begrenzte Geschlechtervorstellungen für sie keinen Sinn ergeben. Sie stellt sich gegen alle, die das nicht hören wollen. Das einzige Wort, das sie häufiger als „love“ sagt, ist vermutlich „fuck“.
Begleitet wird Rodrigo bei ihrer Performance mal von Schlagzeug, E-Gitarre und Bass, mal von Backgroundsängerinnen und Tänzerinnen in rosafarbenen Kostümen. Mal wütend, mal süß. Männer sind auf der Bühne keine zu entdecken. Während Olivia Rodrigo mit ihren glitzernden Outfits und ausgefallenen Showelementen – während „Logical“ und „Enough For Your“ schwebte sie auf einem silbernen Halbmond durch die Arena – eigentlich alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist es schwer, die Augen vom Publikum zu lassen.
Und das nicht nur, weil ihre kräftige Stimme teilweise im Geschrei des Publikums unterzugehen droht. Sondern auch, weil die meisten der sehr jungen Mädchen – die wie Olivia Rodrigo selbst größtenteils in silbernem Minirock und Netzstrumpfhose gekommen sind – auf den Rängen und vor der Bühne ihre eigene Show performen: Sie singen jedes Wort der Songs mit, tanzen und lassen sich dabei von ihren Müttern oder Freund_innen filmen. Es ist, als würden fast 17.000 Shows gleichzeitig in der Arena stattfinden.
Am Ende des Abends stand Olivia Rodrigo gut 100 Minuten auf der Bühne und hatte mit einer Setlist von 23 Songs fast alles aus ihrem Repertoire performt. Sie verabschiedet sich im „Ich liebe Dich“-Shirt, mit rotem Megafon und einer Konfettikanone von Berlin. Wenn sie mit ihrem dritten Album wiederkommen sollte, wird eine Arena vermutlich nicht mehr reichen – dann muss das Stadion her.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen