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US-SPIONAGE IN CHINA: VERLIERER IST STAATS- UND PARTEICHEF JIANGMachtkampf in der KP

Für Liebhaber von Spionagethrillern hat die neueste Affäre zwischen den USA und China großen Unterhaltungswert: Da kauft sich der Pekinger Staatschef ein repräsentatives Dienstflugzeug von der US-Firma Boeing und lässt es sich gleich in Texas – für angeblich 30 Millionen Dollar – neu einrichten. Was geschieht? Die Maschine wird unter den Augen chinesischer Bewacher mit Abhörgeräten gespickt. Die Wanzen werden erst nach Lieferung in China entdeckt. Damit nicht genug der Peinlichkeiten: Der chinesischen Regierung gelingt es nicht einmal, die Sache zu vertuschen. Wenige Wochen vor dem geplanten Besuch von US-Präsident George W. Bush in Peking sickerte die Geschichte jetzt an die Öffentlichkeit.

Erstaunlich ist nicht, dass die USA und Peking viel Energie darauf verwenden, sich gegenseitig auszuspionieren. Das gehört zum Alltag. Zehn Monate nach der letzten Spionagekrise, bei dem ein US-Flieger mit einem chinesischen Abfangjäger zusammenprallte, kreuzen amerikanische Spähflugzeuge längst wieder über dem Südchinesischen Meer und lauschen von dort ins Festland hinein. Die amtlich kontrollierte chinesische Presse ignoriert das, auch um die neuerdings guten Beziehungen zu den USA nicht zu gefährden.

Denn nach dem 11. September haben sich die frostigen Beziehungen zwischen der Bush-Regierung und Peking deutlich erwärmt. Washington zeigte sich dankbar für die Unterstützung der „Anti-Terror-Koalition“ und gewährte neue Handelspräferenzen, was die chinesische Regierung innenpolitisch als Erfolg verkaufen konnte.

Staats- und Parteichef Jiang kommt ein Skandal derzeit besonders ungelegen: Hinter den Kulissen toben in China die Machtkämpfe, weil beim 16. Parteitag im Sommer ein großer Teil der Führung ausgewechselt wird. In der KP gibt es offenkundig Kräfte, die Jiang schaden wollen, weil sie verhindern möchten, dass er nach seiner Pensionierung weiterhin Chef der mächtigen Militärkommission bleibt. Sie halten ihn außenpolitisch für zu zahm – vor allem gegenüber den Amerikanern. So liegt die Vermutung nahe, dass politische Gegner Jiangs die Informationen über das wanzengespickte Flugzeug durchsickern ließen. JUTTA LIETSCH

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