US-Präsident Trump: Sie können die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen
Der kommende US-Präsident Trump setzt auf fossile Energie. Aber in seinem Milieu stecken Widersprüche: Die Ölindustrie braucht hohe, seine Wähler wollen niedrige Preise.
![Verschiedene Personen feiern den Börsengang eines Unternehmens an der New Yorker Börse Verschiedene Personen feiern den Börsengang eines Unternehmens an der New Yorker Börse](https://taz.de/picture/7385156/14/37075279-1.jpeg)
D as Gruselkabinett von Donald Trump ist mit einer weiteren Personalie von besonderer Brisanz erweitert worden. Neuer Energieminister wird der Ölmanager Chris Wright, Chef der Fracking-Firma Liberty Oilfield. Wright ist nicht nur ein Mann der Öl- und Gasindustrie, er geriert sich auch als Leugner der Klimakrise. „Es gibt keine Klimakrise, und wir befinden uns bei der Energie auch nicht in einem Umbruch“, gab Wright zu Protokoll.
Also erneut ein Bock als Gärtner? Eine Schlüsselstellung für einen Mann, der die Energiepolitik zurück in die fossile Steinzeit katapultieren will? Fast reflexhaft stellen sich entsprechende Ängste ein: dass die letzten Bremsen der Vernunft gelöst werden; dass in Naturschutzgebieten und in den Weiten Alaskas bald überall nach Öl gebohrt wird; dass der Boom der erneuerbaren Energien gestoppt und stattdessen wieder mehr Kohle verstromt wird.
Trump, Wright und andere Mitglieder der neuen Regierung werden energie- und klimapolitisch einiges Unheil anrichten, das ist in der Tat zu befürchten. Aber sie können Naturgesetze nicht außer Kraft setzen und auch nicht die wirtschaftlichen Realitäten. So ist der Umbruch der Energieversorgung, den Wright wortreich bestreitet, weltweit längst mit einem immer höheren Tempo im Gang. US-Präsident Joe Biden hat recht, wenn er vor dem G20-Gipfel in Brasilien sagte: „Die grüne Energierevolution ist auf dem Weg, und niemand kann sie umkehren, wirklich niemand!“
Bis 2030, so die Hochrechnung der Internationalen Energieagentur (IEA) der OECD-Staaten, werde sich weltweit die Kapazität der Anlagen für erneuerbare Energien gegenüber 2023 nahezu verdreifachen. Auch die USA werden sich von dieser Entwicklung, bei Strafe schwerer ökonomischer Verluste, nicht abkoppeln können, zumal der einflussreiche „Schattenpräsident“ Elon Musk gerade in diesem Sektor viel Geld verdient.
Trumps Radau setzt die Realitäten nicht außer Kraft
An geeigneten Standorten ist die Stromerzeugung durch Solaranlagen schon heute die mit Abstand wirtschaftlichste Alternative. Eine neue Blütezeit der Kohleverstromung würden sich manche Fossil-Fans zwar wünschen, aber sie ist auf Dauer einfach unwirtschaftlich. It’s the economy, stupid. Ökonomisch haben die erneuerbaren Energien die fossilen längst abgehängt. Die Kohleförderung der USA ist seit Jahren aus geologischen und wirtschaftlichen Gründen rückläufig, diesen Trend wird Kohlefan Donald Trump auch mit hohen Subventionen nur schwer ändern können.
„Drill, Baby, drill!“ Trumps pubertärer Schlachtruf für einen neuen glorreichen Aufbruch in der Ölförderung fand mit der Ernennung des Energieministers Wright seine folgerichtige Pointe. Aber auch in der Ölförderung gilt: Trumps Radau kann die Realitäten nicht außer Kraft setzen. Die konventionelle Ölförderung in den USA befindet sich seit mehreren Jahrzehnten im Rückwärtsgang, das konnten auch verschiedene republikanische Präsidentschaften nicht verhindern.
Die unkonventionelle Ölförderung durch Fracking ist nach dem steilen Anstieg vergangener Jahre jetzt auf einem Plateau angekommen, aktuell notierten die Statistiker sogar einen leichten Rücksetzer. Fracking-Experten wie der Münchner Buchautor Werner Zittel erwarten im für die Ölindustrie günstigsten Fall eine Verlängerung des Förderplateaus um einige Jahre, wahrscheinlicher sei aber ein baldiger Rückgang der Förderung, vielleicht sogar während der Zeit der Regierung Trumps. Die Gründe: Die besten Claims sind längst ausgebeutet, mehr Bohrungen bringen auf Dauer nicht zwangsläufig auch mehr Öl. Bei einem sinkenden Ölpreis durch ein höheres Ölangebot würde das Fracking zudem schnell die rote Linie erreichen und zumindest in geologisch ungünstigeren Regionen unwirtschaftlich werden.
Ölförderung wird teurer
Angebot und Nachfrage bilden im Ölsektor ohnehin eine heikle Beziehung. Der (stereo)typische männliche Trump-Wähler besteht als unveräußerliches Grundrecht nicht nur auf riesigen Steaks, die über den Tellerrand ragen, sondern auch auf billigem Benzin für seinen Pick-up. Die Ölindustrie, die Donald Trump jetzt pampern und zu neuen Höhenflügen ermuntern will, braucht aber möglichst hohe Ölpreise, damit sich die zunehmend aufwändigeren Investitionen in die Suche und Erschließung neuer Ölfelder auch rechnen – ein Widerspruch, der schwer aufzulösen ist. Billiges Öl als Belohnung für Trump-Wähler wäre für den neuen Energieminister ein Albtraum, weil ein niedriger Ölpreis die Gewinnmargen der Branche abschmelzen lässt.
Besonders aufwändig und teuer ist die Erschließung neuer Ölfelder in den arktischen Regionen Alaskas. Präsident Biden hat dort etliche Gebiete unter Schutz gestellt und von Ölbohrungen ausgenommen. Er hat aber gleichzeitig, entgegen seinem Wahlversprechen und trotz heftiger Kritik von Umweltaktivisten, dem Energiekonzern ConocoPhillips grünes Licht für Ölbohrungen an drei Standorten gegeben. Auch die demokratischen Präsidenten hielten stets ihre schützende Hand über die Interessen der Ölbranche. Voller Stolz hatte Barack Obama verkündet, dass die USA während seiner Amtszeit zum größten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen seien.
Joe Bidens energie- und klimapolitischer Befreiungsschlag war der Inflation Reduction Act (IRA), ein 370 Milliarden Dollar schweres Investitionsprogramm. Mehr als Dreiviertel des Geldes soll bisher in ländliche, eher republikanisch dominierte Bundesstaaten geflossen sein. Ein Abwürgen des IRA würde mehr als 300.000 Arbeitsplätze im grünen Energie- und Umwelttechnologiesektor gefährden. Trumps eigene Parteileute werden sich dagegen zu wehren wissen. Zudem: Viele US-Bundesstaaten und Städte haben längst in Eigenregie Klima- und Umweltprogramme aufgelegt, die Trump schwerlich alle stoppen kann. Kalifornien zum Beispiel hat zuletzt viel unternommen, um seine Umweltgesetze „trumpsicher“ zu machen.
Es gibt also auch in düsteren Zeiten noch Hoffnung auf die Restvernunft.
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