US-Geheimdienstdossier: Iran lobt US-Korrektur im Atomstreit
Nach der Veröffentlichung des US-Geheimdienstdossiers zum iranischen Atomwaffenprogramm befürchtet Israel ein Nachlassen des US-Drucks auf Iran - auch des militärischen.
Die Überraschung in Teheran über den Bericht der US-Geheimdienste zum iranischen Atomwaffenprogramm war offenbar so groß, dass die staatlich gelenkten Medien mehr als zwölf Stunden für eine erste Stellungnahme benötigten. Umso vehementer fielen die Schlagzeilen aus. Die Tageszeitung Kayhan schmückte ihren Leitartikel mit dem Titel: "Bush, der größte Verlierer", und schrieb, dass der US-Präsident nun jede Glaubwürdigkeit verloren habe. Selbst die reformorientierte Tageszeitung Etemad Melli titelte "Vier Jahre Lärm um nichts" und meinte, die Turbulenzen um das iranische Atomprogramm hätten sich nun als Propaganda erwiesen. In dem US-Bericht hatte es geheißen, der Iran habe bis 2003 ein Atomwaffenprogramm gehabt, es dann aber unterbrochen.
Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad genoss sichtlich seinen Triumph. Er warf dem Westen vor, sein Land zu Unrecht unter Druck gesetzt zu haben. "Der Iran hat seit Jahren unter dem unrechtmäßigen Druck westlicher Mächte gelitten", sagte er. Er stellte nicht nur die US-Regierung an den Pranger, sondern auch den UN-Sicherheitsrat, den er als "Symbol der Ungerechtigkeit" bezeichnete. Der Sicherheitsrat hat im Atomstreit bereits zwei Sanktionsresolutionen beschlossen und diskutiert über eine dritte.
Außenminister Manutschehr Mottaki begrüßte den Bericht der Geheimdienste, den er als wichtige "Korrektur" bezeichnete. Es sei immer gut, wenn andere Länder ihre Meinung zum Atomprogramm in Richtung Realität korrigierten, sagte er. "Die Absicht des iranischen Atomprogramms ist friedlich." Dies hätten auch alle jüngst veröffentlichten Berichte gezeigt. Mottakis Sprecher, Mohammed Ali Hosseini, forderte "rechtliche Konsequenzen des Berichts" und betonte, die Behandlung des Atomstreits im UN-Sicherheitsrat sei "illegal" gewesen.
Bei aller Freude meldeten sich aber auch skeptische Stimmen. Dazu gehört die Tageszeitung Djomhuri Eslami, die als Sprachrohr des Revolutionsführers gilt. Der US-Bericht könne auch eine Falle sein, schreibt das Blatt. Denn die Feststellung, dass Iran bis 2003 die Herstellung von Nuklearwaffen anstrebte, lasse die Möglichkeit einer Neuaufnahme des Programms offen. Dies liefere Hardlinern das Argument, um verschärfte Sanktionen gegen Iran durchzusetzen.
Dieselbe Skepsis schimmert auch bei der Stellungnahme des Ausschussvorsitzenden für Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Boroudscherdi, durch. Er äußerte Zweifel daran, dass der Bericht US-Präsident Bush zu einem Kurswechsel bewegen würde. Aber er werde sicherlich "die internationale Atmosphäre" zugunsten Irans beeinflussen.
In Israel wird dies unter umgekehrten politischen Vorzeichen gesehen. Die Regierung widersprach dem Bericht der US-Geheimdienste und Verteidiggungsminister Ehud Barak äußerte öffentlich seine Zweifel. "Soweit wir wissen, wurde das Atomprogramm wiederbelebt", meinte Barak im Armeesender.
In Jerusalem herrscht die Befürchtung, dass die USA hinsichtlich des Iran nun möglicherweise ihren "Sinn für Dringlichkeit" verloren haben, schrieb die liberale Haaretz. Die neue und "dramatische Realität", so Schmuel Rosner und Aluf Benn im gleichen Blatt, sei, "dass die militärische Option auf unabsehbare Zeit vom Tisch ist". Sie verurteilen den Bericht der US-Geheimdienste. Es seien "dieselben, die vor Saddam Husseins nicht konventionellem Waffenarsenal warnten" und nun "einen fatalen Fehler in Bezug auf Iran" begingen. Gleichzeitig werde Israel als "hysterisch verängstigtes Häschen" hingestellt. Amir Oren, Reporter für arabische Angelegenheiten, schreibt zynisch über "viel Auswertung weniger Informationen". In Teheran würde man sich über den Bericht sicher "kaputtlachen".
Ganz anders kommentiert hingegen Dr. Eldad Pardo vom Jerusalemer "Truman-Institut" den Bericht aus Washington. Seit Jahren setzt der Nahost-Experte auf eine diplomatische Lösung mit Teheran. Die Drohung mit einem US-Angriff gegen Iran "lieferte im Grunde erst die Rechtfertigung für das Atomprogramm", meint Pardo.
Das Entscheidende sei, den diplomatischen Druck auf Iran fortzusetzen und möglichst zu verschärfen. "Das Embargo ist sehr hilfreich", gerade auch mit der neuen Perspektive, dass "es noch sehr lange so weitergehen kann". Kein westlicher Staat wolle einen gefährlichen islamischen Staat im Besitz der Atombombe sehen. Den Iranern, so Pardo, blieben nur zwei Optionen: "Die Absage an den Terror und die Atombombe oder eine lange Periode der Not."
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