US-Einsatz gegen Terrorverdächtige in Syrien: Offizier bestätigt inoffiziell Luftangriff
Eine im Irak stationnierte US-Kommandoeinheit ist offenbar gegen Terrorverdächtige im Nachbarland Syrien vorgegangen. Mehrere Menschen starben.
KAIRO taz "Es war wohl eine persönliche Rachaktion des aus dem Amt scheidenden US-Präsidenten George Bush ", lautet die Interpretation Reem Haddads, einer sichtlich verärgerten Sprecherin des syrischen Informationsministeriums. "Jetzt wenden sie das Gesetz des Dschungels an", warf Dschihad Makdissi, der Sprecher der syrischen Botschaft in London, den USA vor.
Offiziell hat die Regierung in Damaskus den Angriff auf ein syrisches Dorf nahe der irakischen Grenze durch eine US-Spezialeinheit als einen "Akt ernsthafter Aggression" verurteilt. Nach syrischen Angaben sollen am Sonntagabend vier US-Hubschrauber vom Irak aus die Grenze in der Nähe des ostsyrischen Ortes Abu Kamal überquert haben. Zwei der Helikopter sollen danach acht Kilometer innerhalb syrischen Gebietes bei einem entlegenen, im Bau befindlichen Gehöft gelandet sein, das kurz darauf von US-Soldaten gestürmt worden sei.
Das Pentagon hielt sich zunächst bedeckt, aber ein nicht namentlich genannter hochrangiger US-Offizier in Washington erklärte, dass die Operation einer US-Elitetruppe auf die Nachschubwege arabischer Al-Qaida-Kämpfer abzielte, die regelmäßig von Syrien aus in den Irak eindringen würden. "Jetzt nehmen wir die Dinge in unsere eigene Hände", so der Kommentar des Offiziers. Auch ein Sprecher der irakischen Regierung bestätigte, dass der Angriff auf syrischem Gebiet arabischen Kämpfern gegolten habe, die für Attentate im Irak verantwortlich gemacht werden.
Die vom syrischen Staatfernsehen präsentierten Verletzten erzählten dagegen, dass die Opfer des Angriffes Bauarbeiter und die Familie eines Wächters, darunter auch vier Kinder, seien. "Ich war gerade beim Fischen, als vier Helikopter vom Osten herüberkamen und plötzlich stand ich im Kugelhagel", beschreibt einer der Verletzten. Die Regierung spricht davon, das acht Menschen bei dem Angriff ums Leben kamen, darunter eine Frau und vier Kinder. Ein lokaler für die Nachrichtenagentur AP arbeitender Journalist sah im Widerspruch dazu bei dem Begräbnis am Montag die Leichen von sieben Männern. Laut seiner Aussage sollen sich keine Frauen und Kinder unter den Toten befunden haben.
Der Streit zwischen den USA und Syrien über die Infiltration arabischer Kämpfer über die Grenze ist fast so alt wie die Irak-Besatzung selbst. Noch vor ein paar Tagen hatte der Kommandeur der US-Truppen im Westen des Irak, Generalmajor John Kelly, die syrische Grenze als "unkontrolliertes Tor für alle Arten von Kämpfern" bezeichnet. Dagegen hatte ein nicht namentlicher genannter Offizier des US-Militärgeheimdienstes im Juli gegenüber AP erklärt, dass sich der Zahl der über Syrien eingesickerten Kämpfer in den ersten sechs Monaten halbiert habe. Im Vergleich zum Vorjahr sei es nur noch ein Fünftel.
Die Syrer haben auf die amerikanischen Vorwürfe wiederholt geantwortet, dass die US-Truppen und die Iraker ihre Seite der schwer zu kontrollierenden Grenze nicht überwachen würden. "Dafür wollen sie uns jetzt den schwarzen Peter zustecken", schimpft Al-Haddad, die Sprecherin des Informationsministeriums in Damaskus.
Zu Beginn des Jahres hatte der syrische Außenminister Walid Al-Moallem darauf hingewiesen, dass Damaskus in den USA angefragt habe, besondere Nachsichtgeräte zur Überwachung der Grenze zu erhalten. Das Anliegen war abgelehnt worden, da Washington fürchtete, dass diese Geräte an der Grenze zu Israel zum Einsatz kommen könnten.
Vor allem in den letzten Monaten wuchs zudem in Damaskus die Sorge, dass die syrisch-irakische Grenze für die militanten islamistischen Kämpfer verschiedener arabischer Nationalitäten keine Einbahnstrasse sein muss. Bei einem Anschlag in Damaskus im September waren mindestens 17 Menschen umgekommen. Es war eine der wenigen Male, dass der in Syrien omnipräsente Geheimdienst derartiges nicht im Vorfeld nicht verhindern konnte. Offiziell heißt es vage, das Fahrzeug und der Fahrer kamen aus "einem Nachbarland". Unter der Hand verlautet aus syrischen Sicherheitskreisen, der Selbstmordattentäter und sein mit 200 Kilo Sprengstoff bepacktes Auto stammten aus dem Irak.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken