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US-Depeschen bei WikileaksEU-Gentech-Lobby fordert Unterstützung

Dokumente bei Wikileaks decken auf, wie ein spanischer Agrar-Staatssekretär die USA bittet, in Brüssel Druck zugunsten von Monsanto Gentech-Mais auszuüben.

Die US-Botschaft sollte dem sozialistischen Agrarpolitiker helfen. Bild: dapd

BERLIN taz | Wenn Befürworter von Gentechpflanzen sich von ihren Gegnern in die Ecke gedrängt fühlen, ziehen sie zuweilen einen Joker der besonderen Art: Sie bitten einfach die mächtige US-Regierung, Druck auf die lästige Opposition etwa bei der Europäischen Union in Brüssel auszuüben. Das belegt ein //:internes Dokument von Behörden der USA, das nun von der Internetplattform Wikileaks veröffentlicht wurde.

In die Ecke gedrängt fühlten sich die Gentechfans zum Beispiel im April 2009. Damals verbot die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner, den gentechnisch veränderten Mais MON810 des US-Herstellers Monsanto in der Bundesrepublik anzubauen. Kurz zuvor hatten sich die EU-Umweltminister dafür ausgesprochen, ähnliche Anbauverbote in Österreich und Ungarn zu tolerieren. Und zwei Regionalparlamente in Spanien, der europäischen Gentechnik-Hochburg, diskutierten gerade über Gesetze, die Monsanto-Bauern das Leben schwer machen könnten.

In dieser Situation besann sich Josep Puxeu, Staatssekretär im spanischen Agrarministerium, auf seine Freunde in der Madrider US-Botschaft. Der sozialistische Politiker "kontaktierte am 22. April den Geschäftsträger, um seine Sorge mitzuteilen, dass Spaniens Regierung unter zunehmendem Druck stehe, den Anbau von MON810 zu verbieten", heißt es in einer Depesche der US-Botschaft vom 19. Mai 2009 unter anderem an das Außenministerium in Washington.

MON810

Zugelassen: MON810 ist ein gentechnisch veränderter Mais des US-Konzerns Monsanto. Die Pflanze produziert ständig ein Gift gegen den Schädling Maiszünsler. Der Mais ist neben der Kartoffel Amflora die einzige Gentechpflanze, die derzeit eine Zulassung für den Anbau in der Europäischen Union besitzt.

Verboten: Frankreich, Deutschland und andere Staaten haben unter Berufung auf eine Ausnahmeregelung im EU-Recht verboten, MON810 auf ihrem Territorium anzubauen. Sie berufen sich dabei auf neue Hinweise hinsichtlich einer Gefahr für Mensch und Umwelt. Deutschland befürchtet zum Beispiel, dass das MON810-Gift nicht nur den Maiszünsler, sondern auch andere Insekten schädigt. Aktivisten argumentieren außerdem, dass das patentrechtlich geschützte Saatgut die Abhängigkeit der Bauern von wenigen Saatgutkonzernen erhöht.

Verbreitet: Spanien ist vor Portugal und Tschechien das Land in der Europäischen Union mit der größten Anbaufläche für MON810, unter anderem weil dort der Maiszünsler besonders große Verbreitung findet. 2010 wuchs der Mais in Spanien nach Industrieangaben auf rund 67.700 Hektar. (jma)

Die Woche, in der Deutschland den Mais von seinen Feldern verbannte und das Parlament der spanischen Region Baskenland über neue Gentechregeln abstimmte, sei "die komplizierteste Woche meines Lebens" gewesen, soll Puxeu geklagt haben. In der Depesche heißt es weiter: "Er bat die US-Regierung, den Druck auf Brüssel aufrechtzuerhalten, damit die Agrarbiotechnologie für die Mitgliedstaaten eine Option bleibe."

In einem Gespräch mit Diplomaten der US-Vertretung in Madrid legte am 13. Mai ein hochrangiger Manager des Konzerns Monsanto nach - und dessen Wort hat bei der US-Regierung Gewicht, ist doch das Unternehmen aus dem Bundesstaat Missouri der weltweit größte Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut und einer der mächtigsten Lobbyisten in Washington. Auch der Konzernvertreter warnte davor, dass Spanien den Anbau von MON810 verbieten könnte.

"Laut dem bei Monsanto (für Spanien und Portugal) zuständigen Direktor für Biotechnologie haben vor Kurzem zwei linksgerichtete Parteien darüber diskutiert, einen derartigen Gesetzentwurf ins spanische Parlament einzubringen", schreiben die Diplomaten. Zudem würden Kritiker ein MON810-freundliches Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) infrage stellen. Es stehe eine Menge auf dem Spiel, meldeten die US-Beamten nach Washington. Schließlich würden die Unterstützer der Gentechnik warnen: "Wenn Spanien fällt, wird der Rest Europas folgen."

Spanien hatte als erstes EU-Land damit begonnen, MON810 anzubauen. Im Mai 2009 brachten spanische Bauern fast 75 Prozent der gesamten MON810-Saat in der EU aus. Wohl deshalb stießen die Hilferufe des spanischen Staatssekretärs und des US-Konzerns auf Resonanz.

"Als Reaktion auf jüngste dringende Bitten von Agrarstaatssekretär Josep Puxeu und Monsanto bittet die Vertretung um erneute Unterstützung für Spaniens wissenschaftlich begründete Position zur Agrarbiotechnologie", kabelte die Botschaft ans Außenministerium.

Hochrangige Vertreter der US-Regierung sollten Zweifel an den Pro-MON810-Befunden der Efsa widerlegen. Auch einen Wissenschaftler, der nicht der Regierung angehört, wollte die Botschaft für Monsantos Mais eingespannt sehen. Ein derartiger Experte sollte in dieser Angelegenheit "einflussreiche spanische Gesprächspartner treffen".

Ob die Regierung von Präsident Barack Obama diesen Forderungen nachgekommen ist, lässt sich den Wikileaks-Dokumenten nicht entnehmen. Fest steht nur: Spanien hat den Anbau von MON810 nicht verboten und verfügt immer noch europaweit über die meisten Genmaisäcker.

Die Umweltorganisation Greenpeace verurteilte nach Bekanntwerden des Wikileaks-Dokuments vor allem das Verhalten des spanischen Politikers Puxeu. "Wenn einzelne europäische Regierungen die Hilfe der USA suchen, um die Interessen der Gentechnikindustrie durchzusetzen, handeln sie gegen die Interessen der Menschen in Europa", sagte Agrarexpertin Barbara Kamradt der taz. In den Vereinigten Staaten hätten die Gentechlobbyisten schon großen Einfluss auf die Politik. "Die Europäer aber wollen sich nicht durch die USA und nicht durch die Gentechnikindustrie vorschreiben lassen, was sie zu essen haben."

Staatssekretär Puxeu bestätigte der spanischen Zeitung El País, dass er die US-Diplomaten um Unterstützung gebeten habe. Monsanto nahm trotz taz-Anfrage nicht zu der Angelegenheit Stellung.

Die Regierung der USA wollte sich nicht zum Inhalt der Wikileaks-Dokumente äußern. Der Presseattaché der Berliner Botschaft, Mitchell Moss, erklärte aber: "Wir sind stolz darauf, US-Landwirte und amerikanische Agrarprodukte im Ausland zu vertreten." Deutsche Diplomaten würden sich ja schließlich auch für deutsche Interessen einsetzen.

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3 Kommentare

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  • WH
    Walter Haefeker

    Vergeltung und Propaganda. US-Diplomatie im Dienste von Monsanto: Die von Wikileaks veröffentlicht Strategie zur Durchsetzung von GVO in der EU wurde auch ganz intensiv in Deutschland umgesetzt.

     

    Am 12. Mai 2004 fand in Gernlinden bei Fürstenfeldbruck im Bürgerheim eine Veranstaltung der CSU-Bundestagsabgeordneten für Landwirte zur “Grünen Gentechnik” statt. Das war zunächst nicht weiter verwunderlich, denn für die CSU passte damals diese neue Technologie zur Landwirtschaft, wie der Laptop zur Lederhose. Auch die Tatsache, dass ein Vortrag vom bayerische Gentechnikpapst, Professor Gerhard Wenzel, auf der Tagesordnung stand, passte perfekt in Bild. Ungewöhnlich war auch nicht, dass der persönliche Referent von Gerd Sonnleitner, Markus Seemüller, mit auf dem Podium saß. Die Funktionäre des Bauernverbandes ahnten damals ja noch nicht, wie groß der interne Widerstand an der Basis werden würde.

     

    Was mich wirklich erstaunte, als ich den Saal betrat, waren eine weitere Gruppe von Gästen auf dem Podium. Gernlinden, ein Ort mit kapp 5000 Seelen hatte hohen Besuch. Der Handelsattaché an der amerikanischen Botschaft in Berlin war zusammen mit zwei Diplomaten aus dem amerikanischen Generalkonsulat in München angereist, um den Oberbayerischen Landwirten die Vorzüge der Agro-Gentechnik näher zu bringen.

     

    In den folgenden Jahren, war ich als Vertreter der deutschen Berufsimker immer wieder Zeuge dieser Kampangne, die immer nach dem gleichen Muster ablief. Deutsche Politiker wurden von den Diplomaten gebeten, Veranstaltungen zum Thema Bio-Technologie durchzuführen. Das amerikanische Aussenministerium stellte dazu “unabhängige” Wissenschaftler und “begeisterte” Landwirte als Referenten zur Verfügung. In Bayern lud dazu in der Regel die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ein.

     

    Die Kampagne richtete sich aber nicht nur an Bürger und Landwirte. Die US-Diplomaten wandten sich auch an führende Politiker auf Bundes- und Länderebene mit der Bitte, unter Ausschluss der Öffentlichkeit Informationsveranstaltungen für Parlamentarier durchführen zu dürfen.

    So wandte sich der Amerikanische Generalkonsul 2008 an die Landtagspräsidentin

    und bot einen interfraktionellen Informationsaustausch ("ergebnisoffener Dialog") zum GVO-Anbau an. Dies war allein in Bayern die fünfte Veranstaltung als Teil vom "Biotech Outreach Program" für Europa. Weitere Stationen dieser Gentechniktournee waren ein Seminar

    mit 60 Agrarstudenten am Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung in Weihenstephan , ein Treffen mit dem Kreisbauernverband Rottal und ein Gespräch in der Staatlichen Höheren Landbauschule Rottalmünster. Weiter ging es dann nach Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

     

    Eine der Oppositionsfraktionen im Bayerischen Landtag bat mich damals, für einen Tag als Mitarbeiter der Fraktion zur Verfügung zu stehen und die Vorträge kritisch zu hinterfragen.

    Auch für diesen Fall hatten die Diplomaten vorgesorgt. Großzügigerweise hatten sie den Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Sie hatten allerdings weder mit fachlich gut informierten Teilnehmern noch mit exzellenten Englischkenntnissen gerechnet. Als in einigen Fällen der “neutrale” Wissenschaftler zugeben musste, dass seine Ausführungen in wichtigen Punkten nicht richtig waren, musste ich den Dolmetscher auffordern, die Antwort für die Parlamentarier bitte korrekt zu übersetzen. Dieser hatte die Aussagen im Sinne des Outreach Programms mal eben elegant in seiner Übersetzung glatt gebügelt.

     

    Dank Wikileaks wird nun langsam der ganze Umfang der Amerikanischen Lobbyarbeit in Europa sichtbar.

     

    Walter Haefeker

    Mitglied des Vorstandes

    Deutscher Berufs und Erwerbsimkerbund e.V.

    Präsident des Europäischen Berufsimkerbundes

  • H
  • G
    genfreund

    Ich fordere:

    Kopf ab! Für alle Gen-Pflanzen!

    Knast für alle Gen-Spitzbuben. ( Recht lange, bitteschön. Bei diesem Anlaß können sie sich an den von ihnen hergestellten "Köstlichkeiten" verlustieren...)