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US-Demokraten vor Richtungsentscheid

Heute will die linke Abgeordnete Nancy Pelosi neue Fraktionschefin werden. Ihr Gegner steht für Anpassung

WASHINGTON taz ■ Heute wählen die Demokraten im US-Abgeordnetenhaus eine neue Führungsspitze. Der altgediente Fraktionschef Dick Gephardt hatte nach dem Wahldebakel vergangene Woche das Handtuch geworfen. Er repräsentierte eine Partei, die sich nicht erkennbar von den Republikanern unterschied, die auf die erneut auf die Themen der Wahlkampagne 2000 setzte und nicht wahrhaben wollte, dass sich der Boden unter ihren Füßen seit dem 11. September verschoben hat. Ähnliches lässt sich über seinen Parteikollegen Tom Daschle im Senat sagen der bislang noch nicht verkündet hat, ob er ab Januar, wenn sich der neue Kongress konstituiert, die Demokraten durch die kommenden stürmischen Zeiten führen will. Denn der Partei steht eine Radikalkur bevor, will sie nicht nur davon träumen, die Bush-Dynastie bis 2008 zu beenden.

Den Anfang könnte Nancy Pelosi machen. Die streitbare Demokratin aus San Francisco möchte neue Fraktionschefin werden. Sie wäre die erste Frau auf diesem Posten. Die 62-jährige Pelosi gilt als Parteilinke, ist einflussreich und steht für einen stärker ideologischen Kurs. Früh hatte sie sich gegen einen Irakkrieg ausgesprochen. Sie selbst geht davon aus, mindenstens 111 der insgesamt 203 demokratischen Abgeordneten auf ihre Seite bringen zu können.

Vielleicht bekommen aber zentristische Demokraten-Männer doch noch Muffensausen, dass sie unfähig sein könnte, Brücken zu moderaten Republikanern zu bauen, oder dass ein möglicher Linksruck die Mitte der Wählerschaft verprellt – eine Haltung, die ihr einziger Gegenkandidat, Harold E. Ford aus Tennessee, vertritt.

Die Wahlniederlage hat die alten Flügelkämpfe der Demokraten aufbrechen lassen. Doch die Abstrafung durch die Wähler lässt sich nicht aus dem alten Rechts-links-Muster erklären, von dem die Partei seit den 80er-Jahren immer wieder dominiert wurde. Zwei Faktoren sind vor allem für den Wahlausgang verantwortlich: die neue Situation nach dem 11. September und Ideenlosigkeit. Während es Bush meisterlich verstand, die Terroranschläge für seine Agenda zu nutzen und Konflikte innerhalb der Republikaner zu übertünchen, boten die Demokraten das Bild eines kakophonen und einfallslosen Haufens.

Der konservative Kolumnist Charles Krauthammer brachte es auf den Punkt: „Die Demokraten sind gehirntot.“ Sie haben es versäumt, eigene Alternativen zu präsentieren. Sie vermochten weder aus der Schwäche der Wirtschaft Kapital zu schlagen, noch Antworten auf den drängenden Reformbedarf der Bildungs- und Gesundheitssysteme zu geben. Ihr schwerster Fehler war jedoch, meint Peter Beinart, Journalist der den Demokraten nahe stehenden New Republic, gerade beim wichtigen Thema der nationalen Sicherheit keine eigene Position aufgebaut zu haben und so das Thema „Krieg gegen den Terror“ komplett der Regierung zu überlassen.

Doch das Problem der Demokraten sind nicht nur mangelnde Positionen. So glauben viele Demokraten zum Beispiel, dass Regulierung sinnvoll sein kann, aber sie trauen sich nicht, es zu sagen. Republikaner stehen für Werte, die sie mitunter leidenschaftlich vertreten. Die Demokraten stehen für „wir auch“. Mit Nancy Pelosi soll das alles anders werden. MICHAEL STRECK

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