piwik no script img

US-Baseball-MeisterschaftSchon wieder gewonnen

Abgeklärt nehmen die Baseballer der Boston Red Sox ihren Meisterschafts-Sieg zur Kenntnis. Vor drei Jahren war das ganz anders: Da stand die Ostküstenstadt Kopf.

Perfekt vorbereitet: Von der Taucherbrille bis zur Schutzfolie gegen Sektspritzer stimmt bei der Red Sox-Feier jedes Detail. Bild: dpa

1.600 Meter über dem Meeresspiegel, inmitten eines Tohuwabohus aus Spielern und Funktionären, Zuschauern und Reportern waren die Sieger leicht zu erkennen: an den Taucherbrillen. In Denver hatten die Boston Red Sox auch das vierte von vier Spielen gegen die Colorado Rockies und damit die World Series gewonnen, und wie erwartet der Erfolg kam, bewies ein kleines Detail: Schon kurz nach dem letzten Pitch war die halbe Mannschaft mit einheitlich blauen Plastikbrillen ausgerüstet, die die Augen schützen sollten vor den traditionellen Sektattacken der Teamkollegen.

Auch ansonsten zeigten sich die Red Sox vorbereitet. Die Sieger-Interviews liefen seltsam abgeklärt ab. "Ganz speziell" sei der Erfolg, lächelte ein entspannter Mike Lowell, der zum MVP der Serie, zum wertvollsten Spieler, gekürt wurde. Der mächtige Schlagmann David Ortiz fühlte sich immerhin "großartig", während Pitcher Josh Beckett sich vor allem sorgte, nicht mit noch mehr Sekt abgeduscht zu werden. Immerhin ein unerfahrener Spieler wie der 24-jährige Jacoby Ellsbury fand den Titel schier "unglaublich".

Simply the best

Auch die heimische Presse begrüßte den Sieg routiniert: "The Best!", titelte der Boston Globe eher nüchtern. Denn auch wenn Red-Sox-Manager Terry Francona versicherte, "so was wird nicht langweilig", war der Jubel in Boston längst nicht so frenetisch wie beim letzten World-Series-Erfolg vor drei Jahren. Nur wenige hundert Fans feierten auf den Straßen der Intellektuellenmetropole, kletterten auf Straßenlaternen und legten sich kurzzeitig mit der Polizei an. 2004 mussten die Ordnungshüter noch Pfefferspray einsetzen, ein Student kam bei den Unruhen nach dem Halbfinale zu Tode.

Damals war die Begeisterung übergeschwappt, hatten die Fans doch 85 Jahre lang auf eine Meisterschaft warten müssen. Stets spielten die Red Sox an gegen übergroße Erwartungen, jahrzehntealte Mythen und legendäre Flüche, um immer wieder kurz vor dem Triumph von tragischem Pech heimgesucht zu werden. Erst 2004 endete die längst zur amerikanischen Folklore gewordene Durststrecke. "Seitdem das Klavier von unseren Schultern genommen wurde", erklärte ein sektnasser Mannschaftskapitän Jason Varitek, "zeichnet dieses Team vor allem Selbstvertrauen und Lockerheit aus".

Finanzielle Abenteuer

Seitdem die Red Sox nicht mehr die liebenswerten Verlierer sind, ist auch das Verhältnis der Öffentlichkeit zu dem traditionsreichen Klub einer realistischeren Einschätzung gewichen. Die Zahlen enthüllen es: 143 Millionen Dollar zahlt Boston in diesem Jahr an seine Profis. Nur bei den verhassten New York Yankees ist die Gehaltsabrechnung noch höher. Die beiden konkurrierenden Klubs agieren längst in einer eigenen finanziellen Liga, der Rest der Major League Baseball (MLB) kann da kaum mehr mithalten. Als die Red Sox vor der Saison Daisuke Matsuzaka verpflichteten und sich das 103 Millionen für sechs Jahre kosten ließen, ging es vor allem darum, den japanischen Pitcher nicht den Yankees zu überlassen. In der World Series fuhr Matsuzaka nach einer durchwachsenen Saison den wichtigen dritten Sieg ein. Bostons Shortstop Julio Lugo befand denn auch nach dem Erfolg: "Wir hatten nie das Gefühl, dass wir verlieren könnten".

Tatsächlich verlief noch nie eine World Series so einseitig, im Schnitt erzielten die Red Sox pro Spiel fast fünf Punkte mehr als die Rockies. Denen war offenbar die lange Pause nach dem Halbfinale nicht bekommen: Die Mannschaft wirkte nach acht Tagen ohne Spiel wie eingerostet, wurde aber nach der Blamage trotzdem vom bislang wenig verwöhnten Publikum in Denver frenetisch gefeiert. So schicke Taucherbrillen wie die Red Sox durften sie aber nicht tragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!