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US-Außenminister zu Gast in IsraelUnangenehmes ausgespart

US-Außenminister Blinken sichert Israel in Tel Aviv Solidarität zu. Über die Gaza-Belagerung und eine mögliche Bodenoffensive spricht er nicht.

US-Außenminister Blinken trifft Israel Ministerpräsident Netanjahu in Tel Aviv Foto: Haim Zach/dpa

Berlin taz | US-Außenminister Antony Blin­ken hat bei einem Besuch in Tel Aviv erneut die uneingeschränkte Solidarität der USA mit Israel erklärt. „Sie sind vermutlich auch allein stark genug, sich zu verteidigen“, sagte Blinken bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, „aber solange es Amerika gibt, werden Sie das niemals müssen. Wir werden immer an Ihrer Seite stehen.“

Israel habe das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen und sicherzustellen, dass ein solches Massaker nie wieder geschehen könne. Aber es komme darauf an, wie das getan werde, mahnte Blinken: Demokratien unterschieden sich von Terroristen dadurch, dass sie auch unter schwierigen Umständen anderen Regeln folgten. Sie zögen sich selbst zur Verantwortung, wenn das nicht gelänge. Menschlichkeit und der Wert, der menschlichem Leben eingeräumt werde, definiere die eigene Identität. Deshalb sei es wichtig, jede nur denkbare Maßnahme zu ergreifen, um zu vermeiden, dass Zivilisten zu Schaden kommen. Was diese Aussage allerdings für Konsequenzen für die vollständige Abriegelung des Gazastreifens bei gleichzeitigem Bombardement haben müsste, sagte Blinken nicht.

Auch ein weiteres Thema, das mit Sicherheit hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, sparte Blinken aus: Die offenbar bevorstehende israelische Bodenoffensive im Gazastreifen und das Schicksal der Geiseln, die sich in Hamas-Gefangenschaft befinden, darunter US-Staatsbürger*innen. US-Präsident Biden hatte in den vergangenen Tagen klargemacht, dass deren Sicherheit für die Regierung Priorität genießt. Derzeit werden noch 17 US-Amerikaner*innen vermisst, 25 sind seit Samstag ermordet worden. Aber weder Netanjahu noch Blinken thematisierten öffentlich die Geiseln oder mögliche Verhandlungen mit der Hamas zu dem Thema.

Die USA lieferten derzeit Munition, Nachschub für Israels Raketenabwehrsystem Iron Dome und anderes Kriegsgerät, sagte Blinken. Ein zweiter Flugzeugträger werde ins östliche Mittelmeer verlegt. Weiterer Bedarf werde mit dem Kongress besprochen – und da gebe es „übergroße überparteiliche Unterstützung“. Dass der Kongress aufgrund der Vakanz des Speaker-Postens im Repräsentantenhaus derzeit keine weiteren Mittel freigeben könnte, erwähnte Blinken nicht.

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3 Kommentare

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  • "Deshalb sei es wichtig, jede nur denkbare Maßnahme zu ergreifen, um zu vermeiden, dass Zivilisten zu Schaden kommen."

    Diesen Satz im vor dem Hintergrund und in Gegenwart des Verantwortlichen der Bombardierung von Wohngebieten in Gaza zu äußern ist schon unglaublich. Wo bleibt da die erwähnte Menschlichkeit wenn palästinensische Menschen ohne Unterschied abgeschlachtet werden?

    Auch wenn natürlich verständlich ist, dass Wut und Hass durch den Hamas-Übergriff in Israel herrschen. Aber das Netanjahu-Regime hält sich eben nicht an das Völkerrecht und riskiert mit den Angriffen auf Syrien weitere Eskalationsstufen des Konflikts.

  • Ich verstehe nicht, dass selbst so prominente Politiker, wie der amerikanische Außenminister ein so falsches Verständnis vom Selbstverteidigungsrecht haben. Das gilt laut UN-Satzung nur unmittelbar nach einem Angriff durch einen anderen Staat. Der ist hier schon nur bedingt gegeben: Der Staat Palästina ist zwar von über hundert Staaten anerkannt, aber aus gegebenen Gründen eben nicht von Israel, das sich ohnehin einen Teufel um internationales Recht schert, sonst gäbe es die besetzten Gebiete schon lange nicht mehr.

    Was das Recht auf Selbstverteidigung betrifft, so gilt das nur unmittelbar nach einem feindlichen Angriff, der direkt dem UN-Sicherheitsrat zu melden ist, unter dessen Federführung dann die folgenden Schritte der Verteidigung unternommen werden. Das müssten Politiker, wie Scholz und Blinken doch wissen, ebenso, dass Netanjahu eben im Traum nicht daran dachte und denkt, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten, was, wie gesagt, der gebotene Schritt nach der unmittelbaren Selbstverteidigung wäre.



    Die von Netanjahu angekündigte und schon begonnene "Rache" durch das israelische Militär ist schlicht und einfach ein völkerrechtswidtiger Akt. Blinken und Scholz und Konsorten machen sich durch ihre bedingungslose Solidarität mitschuldig daran.

    Die US- und die UN-Diplomatie wären einzig in der Lage, der Rache Einhalt zu gebieten und die Situation zu entspannen, was dringend geboten wäre, um eine weitere Eskalstion zu verhindern. Vertreter der kriminellen Netanjahu-Regierung sprechen über die Palästinenser schon von "menschlichen Tieren" und erwägen offen eine ethnische Säuberung.



    Hier sei noch erwähnt, dass das israelische Militär bis zum Zeitpunkt der Angriffe die 20(!) fache Anzahl Palästinenser getötet hat wie umgekehrt, wonach hier kaum ein Hahn gekräht hat.

    • @Heinrich Ebbers:

      Wenn Sie das nicht verstehen, dann liegt das daran, dass Sie selbst falsch informiert sind. Ich kann nur dazu Raten, die UN-Satzung mal zu lesen, und keine falschen Informationen zu verbreiten.

      www.un.org/en/abou...-charter/chapter-7

      Von "nur unmittelbar nach einem Angriff" habe ich dort nirgends etwas gelesen. Und selbst wenn es dort stünde: die Hamas feuert seit dem 7.Oktober jeden Tag erneut Raketen auf Israel ab. Welcher Tag war seitdem nicht "unmittelbar nach einem Angriff"?

      Vielmehr heißt es in der Satzung, dass das Recht zur Selbstverteidigung keinerlei Einschränkungen unterliegt, bis der Sicherheitsrat die zur Erhaltung des Friedens erforderlichen Maßnahmen getroffen hat (Artikel 51). Und das kann dauern.

      "bis zum Zeitpunkt der Angriffe die 20(!) fache Anzahl Palästinenser getötet hat wie umgekehrt"

      Hierzu hätte ich folgende Fragen:



      1. Welchen Zeitraum meinen Sie?



      2. Warum ist das für die Frage des Rechtes auf Selbstverteidigung Relevant?



      Zumal es mir die Konsequenz von der Tatsache zu sein scheint, dass auf der einen Seite gut ausgerüstete und ausgebildete Soldaten mit methodischem Vorgehen stehen, mit einer Einsatzdoktrin die Wert darauf legt, die eigenen Verluste gering zu halten; auf der Gegenseite hingegen schlechtere Ausrüstung und es scheint eher Priorität zu haben, Verluste zuzufügen, als eigene zu vermeiden.