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UNTERM STRICH

Kurz vor der Eröffnung der documenta 9 erschien ihr weltläufiger Leiter Jan Hoet in Leipzig. Wie immer nahm Hoet kein Blatt vor den Mund und erklärte der versammelten Kunstszene: In Anbetracht der Vostell-Ausstellung, die gerade im Haus der Hochschule für Grafik und Buchkunst zu sehen ist, wäre er am liebsten gleich hinaus auf die Straße gerannt zwecks „Abkotzen“. Er erläuterte: „Viele Künstler in der Ex-DDR müßten erst durch Beuys, um dann hoffentlich nicht bei Vostell zu landen“. Indigniert konfrontierte ihn die Besucherschar mit dem Vorwurf, warum er denn als documenta-Leiter nur einen einzigen Künstler aus der DDR placiert habe. Das Gegenteil bewies der Genter Museumsmann am späten Abend beim Wein, indem er die detaillierte Kenntnis über die Subkultur ausbreitete, die es nun zu entdecken gelte. Dann nahm das Gespräch eine überraschende Wendung. Man unterhielt sich über die Vakanzen in Leipzig, zum Beispiel den unbesetzten Stuhl des Direktors des Leipziger Museums für Bildende Kunst. Der Halter des Postens — Dieter Gleisberg — war im März wegen seiner „Systemnähe“ zurückgetreten. Da nun nicht zweite Garnitur aus dem Westen und auch kein Ostler das Museum leiten solle, so Hoet, sei eine Überraschung fällig für Leipzig: „Ja das wäre doch interessant“. — Offensichtlich signalisierte Hoet Interesse an der Stelle, die bislang nicht ausgeschrieben ist.

In Kassel hat es unterdessen Brandanschläge gegeben, die, wie die Polizei vermutete, gegen die documenta gerichtet waren. Am Samstag war am Friedrichsplatz eine aus Holzresten und Fundstücken zusammengebaute Turmkonstruktion des documenta-Künstlers Mo Edoga (Deutschland/Nigeria) leicht beschädigt worden. Bei einem weiteren Feuer am Sonntag morgen war am gleichen Ort, gegenüber vom Fridericianum, ein Plexiglas-Container durch ein Molotowcoctail in Brand gesetzt worden. Nach Angaben der Organisatoren der Weltaustellung moderner Kunst, die am 13. Juni beginnt, liegt der Sachschaden bei über 300.000 Mark. — Die Container sind der Ort des „Atlantis“-Projekts der Galeristen Helga und Hans-Jürgen Müller aus Stuttgart. Es handelt sich offenbar um ein engagiertes, sozialutopisches Projekt, das auf Umweltzerstörung aufmerksam machen will: „Ein Geschenk für die Menschheit der Jahrhundertwende“, wie eine Sprecherin des Projekts in Stuttgart zur taz sagte. Der weitgehend beschädigte Container soll zwar noch genutzt werden, aber es werden nur Kunstwerke gezeigt werden können, „die man abends wieder abhängen kann“. Die Atlantismodelle, unter anderem von Leon Krier, werden nun in Kassel nicht gezeigt. — Zwischen den beiden Brandstiftungen wird keine Verbindung vermutet. Eine Verstärkung des Wachdienstes sei nicht vorgesehen, sagte documenta-Geschäftsführer Alexander Farenholtz. Nach Angaben des documenta-Pressebüros war der Container-Pavillon noch kurz vor dem Brand überprüft worden. 60 Personen seien für die Bewachung der Kunstwerke und des Ausstellungsgeländes zuständig. Mehr Sicherheitspersonal würde den Etat zu stark belasten — und auch keinen vollständigen Schutz bieten können.

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