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UNRECHT Der Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck beschreibt, wie er zu einem zentralen Akteur im internationalen Kampf für die Menschenrechte wurdeSiegen, ohne zu gewinnen

Kaleck verklagte Rumsfeld und vertritt Snowden Foto: Götz Schleser/laif

von Christian Rath

Einer gegen Rumsfeld“ titelte die Zeit vor einigen Jahren, als Wolfgang Kaleck eine Strafanzeige gegen den US-Verteidigungsminister erstattet hatte. Damals war dem Berliner Anwalt der Fokus auf seine Person unangenehm, denn er sah sich nur als Teil eines internationalen Netzwerks. Inzwischen scheint er seine Rolle als zentraler Protagonist aber doch zu akzeptieren. Jedenfalls hat er ein autobiografisches Buch über seine juristische Entwicklung und seine globalen Aktivitäten geschrieben: „Mit Recht gegen die Macht“.

Am Anfang war die Skepsis. Als undogmatisch-linker Jura­student in Bonn sah Kaleck das Strafrecht noch als subtiles Herrschaftsmittel, das nur von den sozialen Ursachen der Gewalt ablenke. Doch 1991 arbeitete er als Rechtsreferendar einige Monate in Mexiko und Guatemala. Dort erkannte er die Gefahren, die eine Kultur der Straflosigkeit mit sich bringt: Wenn die Verbrechen der Mächtigen ungesühnt bleiben, können diese ihre Interessen auch künftig rücksichtslos durchsetzen. Zurück in Deutschland, gründete Kaleck 1991 in Berlin eine Anwaltskanzlei. Neben klassischer Strafverteidigung von linken Aktivisten kümmerte er sich von Beginn an auch um die Vertretung von Nazi- und Stasi-Opfern als Nebenkläger vor Gericht.

Das Mandat, das sein Leben verändern sollte, kam aber 1998. Die „Koalition gegen Straflosigkeit“, der Amnesty Internatio­nal und kirchliche Gruppen angehörten, beauftragte ihn, Strafanzeigen gegen argentinische Militärs vorzubereiten. Diese hatten in den Jahren der Diktatur (1976 bis 1983) rund 30.000 linke Oppositionelle ermorden und verschwinden lassen. Die Anzeigen sollten in Deutschland eingereicht werden, da Dutzende Opfer als Kinder von deutschen Emigranten die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen.

In immerhin zwei Fällen ergingen Jahre später dann Haftbefehle und Auslieferungsersuchen gegen Generäle der ehemaligen Junta. Ähnliche Verfahren gab es in Frankreich, Italien und vor allem Spanien. Der internationale Druck führte mit dazu, dass in Argentinien Amnestiegesetze aufgehoben wurden und vor Ort eine ernsthafte strafrechtliche Aufarbeitung begann.

Kaleck galt nun als Experte für derartige Fälle. Als US-Bürgerrechtsanwälte 2004 einen Partner für eine Strafanzeige gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere Militärs suchten, war er ihr Mann. Sie wollten das neue deutsche Völkerstrafgesetzbuch nutzen, um in Deutschland Ermittlungen wegen Guantánamo und der Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib auszulösen.

Trotz umfangreicher Materialsammlungen lehnte die Bundesanwaltschaft dies jedoch zweimal ab. Die US-Verantwortlichen wurden aber zumindest nervös und fühlten sich nicht mehr unantastbar. Die internationalen Aktivitäten Kalecks sorgten allerdings zunehmend auch für Unmut unter seinen Kanzleikollegen. Diese fanden, dass er die gemeinsamen Ressourcen zu sehr beanspruchte.

Deshalb gründete er 2006 in Berlin eine neue Organisation: das European Center for Cons­titutional and Human Rights (ECCHR), das inzwischen rund 20 Mitarbeiter hat. Mit Strafanzeigen in Deutschland versucht man zum Beispiel gegen die Verantwortlichen des US-Drohnenkriegs vorzugehen. Der Nestlé-Konzern sollte in der Schweiz für seine Verwicklung in die Ermordung eines Gewerkschafters in Guatemala zur Rechenschaft gezogen werden. Auf Wunsch der Betroffenen unterstützt das ECCHR zunehmend auch die juristischen Kämpfe vor Ort, in Lateinamerika und Asien.

Kalecks Erinnerungen wenden sich nicht nur an Juristen. Details der Konflikte kann man andernorts besser nachlesen. In diesem Buch geht es ihm um die langen Linien des strafrechtlichen Kampfs gegen Machtmissbrauch und auch seines eng damit verknüpften Lebens.

Das alles ist verständlich geschildert und oft auch spannend zu lesen. Immer wieder thematisiert Kaleck, was eigentlich das Ziel seiner Arbeit ist. Es befriedigt ihn kaum, wenn am Ende in Argentinien doch Strafprozesse stattfinden und Militärs verurteilt werden, auch wenn er die Bedeutung für die Opfer anerkennt. Ihm geht es mehr um eine Veränderung des öffentlichen Klimas, um die Thematisierung des Unrechts.

„Success without victory“ (Siegen, ohne zu gewinnen) nennen das die Amerikaner. Und ein bisschen Narzissmus ist wohl auch dabei, wie Kaleck an einer Stelle einräumt. Als er die zweite Rumsfeld-Strafanzeige mit ihren 383 Seiten fertiggestellt hat, ist er einfach nur stolz, wie ein Fußballspieler, dem ein grandioser Pass gelingt, unabhängig davon, ob dieser am Ende zum Torerfolg führt.

Zugleich erzählt Wolfgang Kaleck aber auch viel über seine MitstreiterInnen in Argentinien, den USA und dem Rest der Welt. Der Untertitel des Buches heißt deshalb ganz kollektiv „Unser weltweiter Kampf für die Menschenrechte“.

Wolfgang Kaleck: „Mit Recht gegen die Macht“. Hanser Berlin, Berlin 2015, 224 Seiten, 19,90 Euro

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