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UNO im Kongo am Ende

■ Ermittlungsteam zur Untersuchung von Massakern durch Kabilas Truppen zieht ab

Berlin (taz) – Zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der UNO scheint der Bruch vollzogen. Die UN-Kommission zur Untersuchung von Massakern während des Bürgerkrieges wird demnächst das Land verlassen. Wie UN-Generalsekretär Kofi Annan am Donnerstag sagte, sollen die Untersuchungen außerhalb des Kongo fortgesetzt werden. Den förmlichen Abzugsbeschluß sollte Annan gestern verkünden.

Die UN-Kommission wurde im April 1997 gebildet, um Berichten über Morde an ruandischen Hutu- Flüchtlingen durch Truppen der heute regierenden AFDL während des Krieges gegen Mobutu 1996/97 nachzugehen. Menschenrechtsgruppen sind überzeugt, daß Zehntausende von Menschen massakriert worden sind, und haben Berichte darüber erstellt. Gegen eine offizielle Untersuchung der UNO, die juristische Schritte nach sich ziehen könnte, erhob die Regierung Kabila jedoch massive Bedenken. Die UNO gab zunächst nach: Sie tauschte den Chef des UN-Teams aus und erweiterte den Rahmen der Untersuchungen auf die ethnischen Säuberungen des Mobutu-Regimes ab 1993. Die im Juli 1997 entsandten UN-Ermittler erhielten jedoch monatelang keine Erlaubnis, Kongos Hauptstadt Kinshasa zu verlassen. Dies wurde erst möglich, nachdem Kabila im Oktober ein Zusatzabkommen mit dem UN-Botschafter der USA, Bill Richardson, schloß. Darin wurde zugesichert, daß die UN- Kommission keine juristischen Empfehlungen abgeben werde.

An die Schauplätze mutmaßlicher Massaker kam das Ermittlerteam jedoch trotzdem kaum heran. Ein erster Besuch im nordwestlichen Mbandaka wurde nach wenigen Tagen angesichts feindlicher Demonstrationen aufgegeben. Erst im Februar durften die UN- Ermittler nach Mbandaka zurückkehren. Ein weiteres Team erreichte das ostkongolesische Goma am 19. März.

Aber Hoffnungen, nun käme die Untersuchung endlich in Gang, wurden schnell enttäuscht. Als das UN-Team in Mbandaka am 21. März ein Massengrab besichtigen wollte, wurde es von bewaffneten Ortsbewohnern angegriffen und kehrte nach Kinshasa zurück. Am 4. April schimpfte Kongos Informationsminister Raphael Ghenda im Staatsfernsehen, die UNO habe „Gräber geschändet“; zwei Tage später warf Kabila dem UN-Kinderhilfswerk Unicef vor, als „Briefträger“ für Rebellen zu fungieren. Am Tag darauf wurde der kanadische UN-Ermittler Christopher Harland verhaftet und einen Tag festgehalten. UN-Generalsekretär Kofi Annan verkündete daraufhin am 9. April die Suspendierung der Arbeit des UN-Teams. Missionschef Atsu Koffi Amega warf den kongolesischen Behörden vor, Harlands Aufzeichnungen fotokopiert zu haben – und damit zu erfahren, wer gegenüber der UNO ausgesagt hat. Nach UN-Angaben wurde der „wichtigste Zeuge“ der UNO am 30. März im Osten des Kongo ermordet.

Der UN-Rückzug könnte erhebliche Folgen haben. Die meisten Geldgeber machen die Zusammenarbeit mit der Regierung Kabila davon abhängig, daß diese mit der UNO kooperiert. Aber seit Wochen häufen sich Aussagen kongolesischer Regierungsmitglieder, das Ausland habe bisher „nichts“ für den Kongo getan und solle daher keine Bedingungen mehr stellen. Dominic Johnson

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