UNO-Flüchtlingsforum in Genf: Gipfel der gebrochenen Versprechen
Start mit enttäuschender Bilanz: Trotz Annahme des UN-Flüchtlingspakts vor einem Jahr fehlen Geld und der Wille, Menschen aufzunehmen.
Mit dieser enttäuschenden Bilanz haben UNO-Generalsekretär António Guterres und der Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi am Dienstag in Genf das erste Globale Flüchtlingsforum der Vereinten Nationen eröffnet. Rund 3.000 VertreterInnen von Regierungen aus 170 Staaten sowie Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsunternehmen nehmen daran teil. „In einer Zeit, in der das Asylrecht angegriffen wird, Flüchtlingen so viele Türen verschlossen sind und so viele Flüchtlingskinder von ihren Familien getrennt und festgehalten werden, müssen wir ihre Menschenrechte bekräftigen“, sagte Guterres.
Guterres und Grandi äußerten die Hoffnung, dass die RegierungsvertreterInnen bis zum Ende des Forums am Mittwochabend konkrete und verbindliche Zusagen machen zur verstärkten finanziellen Unterstützung des UNHCR sowie zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen in ihren jeweiligen Ländern, und dass diese Zusagen dann auch eingehalten werden. Das ist dringend notwendig. Gerade mal ein Fünftel der 193 UNO-Staaten engagiert sich in nennenswerter Weise finanziell oder durch die Aufnahme von Flüchtlingen.
Unter dem Eindruck der stark erhöhten Zahl von Flüchtlingen, die 2015 nach Europa kamen, hatten die Staats- und Regierungschefs der UNO-Staaten 2016 auf einem Gipfeltreffen in New York die Ausarbeitung eines Globalen Paktes beschlossen. Erklärtes Ziel war, die Versorgung von Flüchtlingen und ihre Lebensbedingungen zu verbessern und die Verantwortung für diese Aufgabe gerechter als bislang zwischen armen und reichen Weltregionen und Mitgliedsländern zu verteilen.
Ziele nicht erreicht
„Es war ein Gipfel der gebrochenen Versprechen“, resümierte der Direktor des Norwegischen Flüchtlingsrates und ehemaligen Nothilfekoordinator der UNO, Jan Egeland am gestrigen Dienstag in Genf. Denn entgegen der Ziele des Gipfels hat sich die Zahl der Flüchtlinge, die Aufnahme in sicheren Drittländern finden, seit 2016 mehr als halbiert: von 126.000 auf 58.000 im Jahr 2018 und 54.000 bis Ende Oktober dieses Jahres.
Ende 2018 hatte die UNO gegenüber den Mitgliedsstaaten für die Versorgung der Flüchtlinge bis Ende 2019 einen Finanzbedarf von zehn Milliarden US-Dollar angemeldet. Davon sind erst vier Milliarden Dollar zugesagt und überwiesen. Neun der zehn größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge sind Länder mit niedriger und mittlerer Wirtschaftsleistung wie Pakistan mit 1,4 Millionen Flüchtlingen, Uganda (1,2 Millionen), Sudan, Bangladesch und Libanon (jeweils 1,1 Millionen).
Als einziges Industrieland in dieser Gruppe liegt Deutschland mit ebenfalls 1,1 Millionen Flüchtlinge an sechster Stelle. Größtes Aufnahmeland ist die Türkei mit rund 3,7 Millionen Flüchtlingen – in erster Linie aus dem kriegsversehrten Nachbarland Syrien.
In Genf wurde befürchtet, dass der am Montagabend unter extremen Sicherheitsvorkehrungen angereiste türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in seiner Rede die Drohung wiederholen könnte, syrische Flüchtlinge aus der Türkei in die EU ausreisen zu lassen, wenn die Türkei nicht mehr finanzielle Unterstützung bei der Flüchtlingshilfe bekommt. Dies wäre ein Bruch des EU-Türkei-Abkommens, auf dessen Basis Ankara bereits sechs Milliarden Euro erhalten hat. Aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Frankreich sind Tausende TürkInnen und KurdInnen nach Genf gereist, um für oder gegen Erdoğan zu demonstrieren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen