UN wertet Palästinenser auf: Geburtsurkunde für Palästina
Mehr als 70 Prozent Zustimmung für Palästina: Die UN-Vollversammlung hat die Palästinenser als Staat anerkannt. Israel und USA kritisieren den UN-Beschluss.
NEW YORK dapd/afp | Historischer Tag für die Palästinenser: Mit überwältigender Mehrheit hat die UN-Vollversammlung den Palästinensern am Donnerstag einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen verliehen und damit den Staat Palästina de facto anerkannt. Mehr als zwei Drittel der UN-Mitglieder votierten für die diplomatische Aufwertung der Palästinenser, die damit allerdings kein Mitglied der UN sind.
Die USA und Israel kritisierten das Ergebnis der Abstimmung, das für die Palästinenser einen zumindest symbolischen Erfolg im Kampf um ihre Unabhängigkeit darstellte. Im Westjordanland brachen die Menschen in Jubel aus.
138 der 193 Staaten in der UN-Vollversammlung billigten die Resolution für die diplomatische Aufwertung der Palästinenser. Neun Staaten, darunter die USA, Israel, Kanada, Tschechien, Panama und eine Reihe von Pazifikstaaten, stimmten dagegen, 41, unter ihnen Deutschland und Großbritannien, enthielten sich.
Die USA werteten die Abstimmung als Rückschlag für die Friedensbemühungen im Nahen Osten. „Die heutige bedauernswerte und kontraproduktive Resolution hat weitere Hürden auf dem Weg zum Frieden geschaffen“", sagte die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete die Resolution als „kontraproduktiv“.
Freudenschüsse in Ramallah
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses wurde hinter dem Platz der palästinensischen Delegation im UN-Gebäude in New York eine palästinensische Flagge ausgerollt.
In den Palästinensergebieten wurde der neue UN-Status frenetisch gefeiert. In Ramallah im Westjordanland versammelten sich tausende Menschen, gaben Freudenschüsse ab und fielen sich immer wieder in die Arme. Auch in anderen Städten im Westjordanland kam es zu spontanen Feiern.
In Bethlehem wurden Feuerwerkskörper abgeschossen, um Mitternacht läuteten die Glocken. Auch im von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen jubelten die Menschen. Die Hamas, die den auf Diplomatie setzenden Kurs von Abbas meist ablehnt, sprach von einem „neuen Sieg auf dem Weg zur Befreiung Palästinas“.
Israel kritisiert UN-Entscheidung
Tatsächliche Unabhängigkeit bleibt für die Menschen in den Palästinensergebieten aber noch ein weit entfernter Traum. Israel hatte gewarnt, dass der einseitige Antrag der Palästinenser bei den UN die Friedensverhandlungen behindern würde.
Unmittelbar nach der Abstimmung erklärte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, das Ergebnis habe keine Bedeutung. „Die heutige Resolution bei den UN wird nichts vor Ort ändern. Sie wird die Errichtung eines palästinensischen Staates nicht voranbringen, sondern sie eher verzögern.“
Widerspruch von Netanajahu
Gleichzeitig kritisierte Netanajahu die Rede von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor dem Votum, in der er die UN-Vollversammlung dazu aufgerufen hatte, eine „Geburtsurkunde für Palästina“ auszustellen. Die Rede sei „voller verlogener Propaganda gegen Israel“ gewesen, die Aussagen von Abbas „diffamierend und giftig“, sagte Netanjahu.
Obwohl ein UN-Beobachterstatus ohne UN-Mitgliedschaft völkerrechtlich nicht viel für die Palästinenser ändern würde, sehen sie diese Anerkennung als wichtigen Schritt zum eigenen Staat in Gazastreifen, Westjordanland und Ostjerusalem in den Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967.
Allerdings sind sie davon auch nach dem Votum noch weit entfernt. Die Palästinenser haben keine Kontrolle über ihre Grenzen, ihren Luftraum oder Handel, haben zwei rivalisierende Regierungen im Westjordanland und im Gazastreifen und keine gemeinsame Polizei oder Armee.
65 Jahre nach Anerkennung Israels
Für die Abstimmung in der UN-Vollversammlung reichte eine einfache Mehrheit. In dem Gremium gibt es anderes als im UN-Sicherheitsrat auch keine Veto-Möglichkeit. Das Votum fand am 29. November statt, genau an jenem Tag, an dem die UN-Vollversammlung 1947 einen Staat Israel in Palästina anerkannte.
Für die USA war die Billigung der Resolution am Donnerstag eine diplomatische Niederlage, für Palästinenserpräsident Abbas ein wichtiger Erfolg.
Zum einen wurde er dadurch in seiner Forderung nach einer Etablierung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 bekräftigt, zum anderen stärkte er seine Position unter den Palästinensern, die angesichts der seit Jahren auf Eis liegenden Friedensverhandlungen mit Israel gelitten hatte.
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