: UN-Schutzzone Žepa vor dem Fall
■ Ukrainische Blauhelme in der ostbosnischen Enklave fordern Nato-Luftpräsenz an / Zerstrittener Westen auf der Suche nach gemeinsamer Linie / Debatte um den Schutz der UN-Schutzzonen
Sarajevo (AFP/rtr) – Nach Srebrenica steht jetzt auch die bosnische UN-Schutzzone Žepa vor dem Fall. Die bosnischen Serben näherten sich gestern nachmittag bis auf 500 Meter dem Stadtzentrum. Panzer und Infanterie erreichten vom Westen her die Stadt und leiteten einen größeren Angriff ein, sagte UN-Sprecher Chris Gunnes. Ukrainische Blauhelmsoldaten mußten ihre drei Beobachtungsposten inzwischen räumen. Ebenfalls gestern nachmittag forderte das 79 Mann starke ukrainische Kontingent in Žepa Luftpräsenz der Nato an. Kurze Zeit später flogen Maschinen der Nato im Tiefflug über Žepa hinweg. Dadurch sollten Angriffe auf die Blauhelme verhindert werden. In der Vergangenheit hatte das jedoch kaum abschreckende Wirkung.
In der ostbosnischen Enklave Žepa leben etwa 15.000 Menschen, die nun das gleiche Schicksal befürchten müssen wie die Einwohner von Srebrenica, das am vergangenen Dienstag von den Serben erobert worden war. Die von den Eroberern in Srebrenica festgesetzten 64 niederländischen Blauhelmsoldaten wurden inzwischen wieder freigelassen. Doch ist die Lage für Zehntausende Flüchtlinge aus Srebrenica verzweifelt. Tausende Menschen sind zudem immer noch „verschwunden“. In Žepa und in Goražde, der dritten Enklave, nahmen Angehörige der bosnischen Regierungstruppen UN- Soldaten gepanzerte Fahrzeuge und Waffen weg, um sich verteidigen zu können.
Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić drohte damit, auch die anderen Schutzzonen notfalls mit Gewalt einzunehmen. In einem Interview mit der spanischen Zeitung El Pais sagte er, die muslimischen Enklaven seien nicht mehr lebensfähig und müßten verschwinden.
Die westlichen Politiker zeigten sich einmal mehr uneins, wie man auf die Eroberung Srebrenicas und den bevorstehenden Fall Žepas reagieren solle. Offenbar wurde die Rettung Goraždes und der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, jedoch nicht die Rückeroberung Srebrenicas oder die Verteidigung Žepas ins Auge gefaßt. Auf große Skepsis stieß der Vorschlag des französischen Präsidenten Jacques Chirac, militärisch zu intervenieren. Die britische Regierung sei jedoch bereit, sich an der Verteidigung Goraždes und am Schutz der Straße nach Sarajevo zu beteiligen, berichtete Independent on Sunday. Premierminister John Major berief für Freitag ein Treffen der Bosnien-Kontaktgruppe ein. Ein Sprecher des Bonner Verteidigungsministeriums sagte, ein Engagement der Bundeswehr über den bisher geplanten Einsatz hinaus sei nicht vorgesehen.
Der französische Generalstabschef General Jacques Lanxade wollte am Sonntag abend bei Beratungen mit seinen britischen und amerikanischen Kollegen in London Vorschläge für Militäraktionen zum verstärkten Schutz der UN-Schutzzonen vorlegen. Heute beraten die EU-Außenminister mit ihrem russischen Kollegen Andrej Kosyrew über die Lage in Bosnien. Frankreich will seine UN-Truppen abziehen, falls sie dort weiterhin zur Untätigkeit verdammt blieben oder das Waffenembargo gegen Bosnien aufgehoben werden sollte. Seiten 3 und 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen