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UN-Ökonom über Hunger im Südsudan„Früh helfen ist billiger“

Im Südsudan herrscht Hungersnot, auch weil Händler sich nicht ins Land trauen, sagt Arif Husain von der UNO. Der Markt für Lebensmittel funktioniert nicht mehr.

Mit dem Armband wird der Grad der Unterernährung festgestellt Foto: dpa
Eva Oer
Interview von Eva Oer

taz: Herr Husain, Millionen Menschen im Südsudan leiden unter Hunger. Wie muss ich mir den Lebensmittelmarkt dort vorstellen – gibt es noch Produktion oder Importe?

Arif Husain: Konflikte wie im Südsudan wirken sich nicht nur auf die Fähigkeit der Menschen aus, zu produzieren und anzubauen, sondern auch auf den Handel und darauf, wie Waren aus Nachbarländern importiert werden können. Außerdem sorgen höhere Risiken für höhere Transportkosten, Händler müssen sich mit Kontrollen herumschlagen – all das treibt die Lebensmittelpreise hoch. Im Fall von Südsudan gibt es noch eine andere Sache: Die Regierung hat nichts, keine Reserve, es ist kein Geld übrig. Um Ihnen eine Vorstellung zu geben: Der offizielle Wechselkurs lag vor einem Jahr bei 21 sudanesischen Pfund für 1 US-Dollar. Heute ist er offiziell bei 83 oder 85 Pfund pro US-Dollar. Und inoffiziell, auf dem Schwarzmarkt, sind es etwa 115 Pfund pro Dollar.

Die Inflation ist also extrem?

Die Währung wird fast bedeutungslos. Internationale Händler aus Staaten wie Kenia und Uganda wollen nicht mehr ins Land kommen. Das Risiko für sie ist extrem hoch und es gibt keinerlei Nachfrage, weil niemand Geld hat. Das ist die Marktsituation im Südsudan: Die Menschen können nicht genug produzieren, sie haben nicht genug Geld in der Tasche, um tatsächlich etwas zu kaufen, und obendrein will niemand Waren ins Land bringen. Und was machen Menschen, wenn sie kein Geld haben, der Handel nicht funktioniert, sie nicht selbst produzieren können? Humanitäre Hilfe ist ihre einzige Rettungsleine. Aber dafür benötigen wir einen humanitären Zugang.

Zugang zu den Menschen?

Nicht nur zu den Menschen, sondern auch, um an Waren zu kommen, an Lebensmittel. Die ganze Kette muss funktionieren, um das Essen in die betroffenen Regionen zu bringen. Oder man muss Lebensmittel aus dem Flugzeug abwerfen. Aber wenn man das für Millionen Menschen machen muss, ist es sehr, sehr teuer. Sodann brauchen wir das Geld dafür. Es haben in den Jahren 2015 und 2016 zwar mehr Regierungen auch mehr gegeben – aber der Bedarf ist auch sehr viel höher.

Achtzig Prozent der Nahrungsmittel kauft das World Food Programme (WFP) vor Ort in Entwicklungsländern, um die Märkte zu unterstützen und die Transportkosten niedrig zu halten. Ist das für den Südsudan derzeit überhaupt möglich?

Wenn es richtig gemacht wird, ist es immer möglich. Wenn wir wollen, dass die Menschen für den Krisenfall widerstandsfähiger werden und – wo es möglich ist – mehr produzieren, müssen wir die Nachfrage garantieren. WFP ist ein großer Käufer, wir kaufen jedes Jahr für mehr als eine Milliarde US-Dollar in Entwicklungsländern ein. Das bedeutet einen wirtschaftlichen Aufschwung für viele lokale Märkte und für viele Kleinbauern in diesen Orten. Gleichzeitig muss man aufpassen, zu welcher Jahreszeit man wo kauft. Wenn Sie losgehen und an einem Ort kaufen, wo Lebensmittel rar sind und die Preise hoch, schaffen Sie Probleme. Aber wir sind erfahren darin.

Bild: WFP
Im Interview: Arif Husain

ist Chefökonom des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), für das er seit 2003 arbeitet. Dort analysiert Husain die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern. Zuvor war er für die Weltbank tätig.

Aber weite Teile Ostafrikas leiden derzeit aufgrund von Dürre ebenfalls unter Lebensmittelknappheit. Wo können Sie dann noch notwendige Waren kaufen?

In solchen Fällen kaufen wir nicht. Man muss den Markt verstehen und korrekt analysieren. Wir beachten dabei den Bedarf, den Preis, wo wir kaufen können, ohne den Markt zu stören und natürlich, wann. Als im vergangenen Jahr das Klimaphänomen La Niña für Trockenheit sorgte, konnte man noch in Südafrika kaufen, obwohl es dort eine Dürre gab. Es gab noch genug Lebensmittel auf dem Markt. In Malawi oder Simbabwe wäre es nicht möglich gewesen.

Wo genau kaufen Sie im Moment für den Südsudan ein?

WFP kauft die meisten Getreide in der Region, zum Beispiel in Tansania und Sudan. Angereicherte Spezialnahrung wird auf dem internationalen Markt erworben. Aber WFP hat nun angefangen, CSB++, eine Weizen-Soja-Mischung, von einer kürzlich in Kigali in Ruanda gegründeten Fabrik zu kaufen, wodurch Transportkosten sinken und die Transportzeit sich verkürzt. Wir wollen sichergehen, dass die Ernährung das Überleben sichert.

Was heißt das genau?

Es geht nicht um Käse oder Fleisch. Wir sprechen über unverzichtbares Getreide, Zucker, Salz, Öl, Hülsenfrüchte. Eine ganz einfache Ernährung, die den Menschen das Leben rettet. Und es geht darum, Existenzgrundlagen zu erhalten. Im Südsudan ist dieser Punkt oft schon überschritten, aber das ist sehr wichtig: Wann immer es einen Schock gibt, eine Katastrophe, muss man den Menschen helfen, bevor sie ihre Wirtschaftsgüter verkaufen. Wenn Menschen zum Beispiel ihr Vieh verkaufen oder ihren Ochsenpflug – dann sind sie erledigt. Denn sie werden Jahre brauchen, um genug für neue Tiere oder einen Pflug zu sparen. Wir sollten also früh genug helfen, am Ende ist das auch billiger.

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