UN-Erklärung zu Syrien: Die gescheiterte Resolution
Der UN-Sicherheitsrat kann sich nur auf eine "Präsidialerklärung" gegen die Gewalt des syrischen Regimes einigen. Auch die Opposition wird darin ermahnt.
GENF taz | Unter dem Eindruck der jüngsten Gewaltexzesse der syrischen Regierung gegen die Opposition hat der UNO-Sicherheitsrat in der Nacht zum Donnerstag die "weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen und Gewaltanwendung gegen Zivilisten durch die syrischen Behörden" verurteilt. Die Regierung in Damaskus müsse die Menschenrechte achten und die Verantwortlichen für die Verbrechen ausmachen.
Die Verurteilung und Mahnung durch den Sicherheitsrat erfolgte nach zweimonatigen Verhandlungen. Allerdings nicht in Form einer Resolution - was vor allem die vier europäischen Ratsmitglieder Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Portugal angestrebt hatten -, sondern lediglich als eine vom amtierenden Präsidenten des Rates verlesenen "Erklärung".
Eine "Präsidialerklärung" erfordert die Zustimmung von mindestens neun der 15 Ratsmitglieder und hätte durch den Einspruch einer der fünf ständigen Vetomächte USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich verhindert werden können. Eine "Präsidialerklärung" ist allerdings völkerrechtlich nicht verbindlich und hat weniger diplomatisches Gewicht als eine Resolution. Mit einer Erklärung der UN können keine Sanktionsmaßnahmen angedroht oder verhängt werden.
Der Hauptwiderstand gegen eine Resolution und die Verhängung von Sanktionen kam von Russland und China. Der Grund dafür ist nicht nur die grundsätzliche Ignoranz der beiden Großmächte gegenüber Menschenrechtsverletzungen sowie die Eigeninteressen vor allem Russlands, das Seestreitkräfte an der syrischen Mittelmeerküste stationieren möchte.
Sorge vor Destabilisierung
Moskau und Peking befürchten darüber hinaus, eine völkerrechtlich verbindliche Sanktionsresolution gegen Syrien könne wie im Fall Libyen schließlich zu einer militärischen Intervention westlicher Staaten führen, über deren weiteren Verlauf der Sicherheitsrat dann genau wie in Libyen die Kontrolle und Entscheidungsgewalt an die Nato verliert. Diese Befürchtung führte auch bei den drei großen Schwellenländern Brasilien, Indien und Südafrika zur Ablehnung einer Resolution.
Schließlich votierte auch das unter starkem Einfluss aus Damaskus stehende Nachbarland Libanon "aus Sorge vor einer Destabilisierung der Region" gegen eine förmliche Resolution. Die libanesische Regierung distanzierte sich nachträglich sogar von der Erklärung des Sicherheitsrats. Die Verurteilung werde "nicht dabei helfen, die Krise im Nachbarland Syrien beizulegen".
Bei den Verhandlungen des Sicherheitsrats über Libyen im März hatte Libanon noch zu den eifrigsten Befürwortern einer scharfen Sanktionsresolution sowie der Verhängung einer Flugverbotszone gezählt und den ersten Entwurf im Rat eingebracht.
Erklärung auch an die Opposition
Aufgrund des Widerstands von mindestens sechs der 15 Ratsmitstaaten enthält die Erklärung auch nicht die ursprüngliche Forderung der vier europäischen Staaten und der USA, die gewaltsame Niederschlagung der Proteste in Syrien durch den Menschenrechtsrat der UNO in Genf untersuchen zu lassen. Auf der anderen Seite scheiterte Russland mit dem Versuch, die beiden Konfliktparteien in Syrien gleichzusetzen und die Gewalt des Regimes als legitime Antwort auf Gewalttaten der Opposition zu bewerten.
Allerdings richtet sich die Erklärung des Rates auch an die Opposition. Wörtlich heißt es. "Wir rufen zum sofortigen Ende der Gewalt auf und fordern von allen Seiten größtmögliche Zurückhaltung und Abstand zu nehmen von Repressalien, einschließlich der Angriffe auf staatliche Institutionen."
Trotz des Scheiterns aller Bemühungen um eine Resolution bewertete Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Erklärung des Rats als "wichtige Botschaft der internationalen Gemeinschaft an die syrische Regierung". Sein französischer Amtskollege Alain Juppé sprach gar von einem "Wendepunkt" in der Haltung der internationalen Gemeinschaft.
Bis zum kommenden Mittwoch soll UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon dem Sicherheitsrat einen ersten Bericht zur Umsetzung der Syrien-Erklärung vorlegen. Zunächst wollte sich Ban erneut um einen direkten Gesprächskontakt mit Assad bemühen. Der syrische Staatschef weigert sich seit Wochen beharrlich, Telefonanrufe des UNO-Generalsekretärs entgegenzunehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen