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UN-Einsatz im Ost-KongoLuftangriffe auf Hutu-Milizen

UN-Raketen gegen ruandische Hutu-Miliz FDLR verhindern deren Einnahme einer Armeebasis. EU startet Programm zur "biometrischen Identifizierung", um Armee und Milizen besser zu unterscheiden

Ein Kämpfer aus der extrememistischen FDLR-Gruppe. Bild: reuters

BERLIN taz | Im Kampf gegen die ruandischen Hutu-Milizen FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat die UN-Blauhelmmission erstmals Luftangriffe geflogen. Fünf Raketen aus Kampfhubschraubern seien am frühen Dienstag auf Milizionäre abgefeuert worden, die versucht hätten, die Militärbasis Lwibo in der Provinz Nord-Kivu einzunehmen, erklärte ein Sprecher der UN-Mission im Kongo (Monuc) am Mittwoch. Der Angriff habe sieben Tote gefordert.

Den Angaben zufolge hatte eine Koalition aus ruandischen FDLR-Kämpfern und der ostkongolesischen Milizi APCLS (Patriotische Allianz für einen Freien und Souveränen Kongo) den Armeestützpunkt Lwibo in den Masisi-Bergen angegriffen. Die Soldaten waren abgelenkt, weil sie gerade damit beschäftigt waren, sich im Rahmen eines neuen EU-Programms zur biometrischen Identifizierung aller Armeeangehöriger zu registrieren. Mit diesem Programm will die EU-Beratermission bei Kongos Militär (Eusec) ihre ins Stocken geratene Unterstützung der Armeereform im Kongo wieder voranbringen und dem Umstand entgegenwirken, dass niemand genau weiß, ob Männer mit Waffen im Ostkongo zur Regierungsarmee gehören oder nicht.

In den Masisi-Bergen sowie der weiter westlich gelegenen Waldregion Walikale sind irreguläre Milizen in den letzten Wochen bedeutend stärker geworden. Die teils von Tätern des ruandischen Völkermordes geführte Hutu-Miliz FDLR hat sich mit der APCLS und anderen kongolesischen Gruppen zusammengeschlossen, um gegen die Regierungsarmee zu kämpfen. Sie wollen damit eine befürchtete Rückkehr von Zehntausenden in Ruanda lebenden kongolesischen Tutsi-Flüchtlingen in ihre Heimat vereiteln.

Mehrere Dutzend kongolesische Gruppen, die sich zumeist auf ethnischer Grundlage rekrutieren, hatten am 7. September ihr bestehendes Friedensabkommen mit Kongos Regierung aufgekündigt und mit einem neuen Krieg im Ostkongo gedroht. Die FDLR kontrolliert bereits weite Teile der Provinz Nord-Kivu. UN-Kreise rechnen mit einem bevorstehenden FDLR-Angriff auf die Distrikthauptstadt Walikale, die inmitten des wichtigsten Bergbaugebietes der Provinz liegt.

Bislang hatte sich die UN-Mission bei Armeeoperationen dieses Jahr im Ostkongo auf logistische Unterstützung beschränkt. Die zunehmende Stärke der Milizen aber zwingt sie, aktiver einzugreifen.

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3 Kommentare

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  • TS
    Torsten Steinberg

    EU sorgt für Skandal im Kongo

     

    Wäre Ulla Schmidts Dienstwagen nicht in Spanien gestohlen worden, wüsste heute noch niemand von dieser verwegenen Selbstverständlichkeit, mit der Politiker ihre Privilegien wahrnehmen. Und wenn nicht ein paar Spitzbuben von der FDLR die Frechheit besessen hätten, den hierzulande bisher völlig unbekannten Armeestützpunkt Lwibo im Kongo ausgerechnet zu einem Zeitpunkt anzugreifen, als die Soldaten im Zuge einer biometrischen Datenaufnahme von ihrer eigentlichen Arbeit abgelenkt waren, dann hätten wir womöglich nie erfahren, dass die EU derzeit im Kongo einen ihrer größten Freilandversuche durchführt.

     

    Noch ist die Erinnerung frisch an die ersten Gehversuche biometrischer Gesichtsmessung am Ende gut ausgeleuchteter Rolltreppen in deutschen Bahnhöfen. Zur Erleichterung aller, die Big Brother fürchten, ein ziemlicher Reinfall. Doch so ein großer Reinfall wohl auch wieder nicht, dass man sich nicht ermutigt fühlte, den Versuch jetzt im großen Maßstab zu wiederholen und alle Angehörigen der kongolesischen Armee auf gleiche Weise zu erfassen. Wer aber uns weiszumachen versucht, dass man dies tatsächlich für eine verlässliche Methode hält, im Dschungelkrieg Freund und Feind voneinander zu unterscheiden, der macht sich lächerlich. In Wirklichkeit geht es doch allein darum, verborgen vor den Augen einer kritischen Öffentlichkeit die flächendeckende biometrische Überwachung vorzubereiten. Die findet dann nicht mehr im afrikanischen Dschungel statt, sondern dort, wo paranoide Politiker, die wie unser Innenminister Schäuble uns mit dem Virus eines kollektiven Verfolgungswahns infizieren wollen, sich persönlich gefährdet fühlen, nämlich hier in Deutschland und Europa.

     

    Ich wünsche mir von der taz, dass sie diesen Fragen kritisch nachgeht: wie es dazu kommen konnte, dass im Rahmen der Eusec-Mission alle Angehörigen der kongolesischen Armee als Versuchskanninchen für biometrische Identifizierung herangezogen werden? Welche Firmen daran beteiligt sind? Wieviel dieser Einsatz kostet und wer dafür aufkommt? Unter welchem Etat diese Kosten aufgeführt werden? Würde mich nicht wundern, wenn es unter Entwicklungshilfe läuft! ...

     

    Hoffe sehr, in dieser Zeitung bald gründliche Aufklärung zu bekommen.

     

    P.S. Gemäß Bundesdrucksache sollten übrigens nur die Angehörigen der Armee biometrisch erfasst werden, die von Seite der Aufständischen übergelaufen sind (was mir allerdings auch äußerst fragwürdig erscheint). Eigenartig auch, dass die UNO gerade noch im rechten Augenblick den Angriff zur Verteidigung der Soldaten fliegen konnten, die anscheinend noch gar nicht wussten, dass sie dieser Verteidigung bedurften.

  • TS
    Torsten Steinberg

    EU sorgt für Skandal im Kongo

     

    Wäre Ulla Schmidts Dienstwagen nicht in Spanien gestohlen worden, wüsste heute noch niemand von der verwegenen Selbstverständlichkeit, mit der Politiker ihre Privilegien wahrnehmen. Und wenn nicht ein paar Spitzbuben von der FDLR die Frechheit besessen hätten, den hierzulande bisher völlig unbekannten Armeestützpunkt Lwibo im Kongo ausgerechnet zu einem Zeitpunkt anzugreifen, als die Soldaten im Zuge einer biometrischen Datenaufnahme von ihrer eigentlichen Arbeit abgelenkt waren, dann hätten wir womöglich nie erfahren, dass die EU derzeit im Kongo einen ihrer größten Freilandversuche durchführt.

     

    Noch ist die Erinnerung frisch an die ersten Gehversuche biometrischer Gesichtsmessung am Ende gut ausgeleuchteter Rolltreppen in deutschen Bahnhöfen. Zur Erleichterung aller, die Big Brother fürchten, ein ziemlicher Reinfall. Doch so ein großer Reinfall wohl auch wieder nicht, dass man sich nicht ermutigt fühlte, den Versuch jetzt im großen Maßstab zu wiederholen und alle Angehörigen der kongolesischen Armee auf gleiche Weise zu erfassen. Wer aber uns weiszumachen versucht, dass man dies tatsächlich für eine verlässliche Methode hält, im Dschungelkrieg Freund und Feind voneinander zu unterscheiden, der macht sich lächerlich. In Wirklichkeit geht es doch allein darum, verborgen vor den Augen einer kritischen Öffentlichkeit die flächendeckende biometrische Überwachung vorzubereiten. Die findet dann nicht mehr im afrikanischen Dschungel statt, sondern dort, wo paranoide Politiker, die wie Innenminister Schäuble uns mit dem Virus eines kollektiven Verfolgungswahns infizieren wollen, sich persönlich gefährdet fühlen, nämlich hier in Deutschland und Europa.

     

    Ich wünsche mir von der taz, dass sie diesen Fragen kritisch nachgeht: Wie konnte es dazu kommen, dass im Rahmen der Eusec-Mission alle Angehörigen der kongolesischen Armee als Versuchskanninchen für biometrische Identifizierung herangezogen werden? Welche Firmen sind involviert? Wieviel kostet dieser Einsatz und wer kommt dafür auf? Unter welchem Etat werden diese Kosten aufgeführt? Würde mich nicht wundern, wenn es unter Entwicklungshilfe läuft! ...

     

    Hoffe sehr, in dieser Zeitung bald gründliche Aufklärung zu bekommen.

  • A
    Anne

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