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U-Boot: Staatsanwalt verschont Kohl

■ Staatsanwaltschaft sieht keinen Anlaß für strafprozessuale Maßnahmen wegen Verdachts der Falschaussage

Bonn (dpa) - Die Bonner Staatsanwaltschaft wird gegen Bundeskanzler Helmut Kohl keine Ermittlungen wegen Verdachts der Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß des Bundestages zur Untersuchung der U-Boot-Affäre mit Südafrika aufnehmen. Dies teilte die Behörde am Montag nach mehrwöchiger Prüfung mit. Notwendig wurde sie durch eine Anzeige der Fraktion der Grünen im Bundestag.

Nach Angaben der Bonner Staatsanwaltschaft gibt es keinen Anlaß für strafprozessuale Maßnahmen gegen Kohl. Wegen Falschaussage könne nur derjenige belangt werden, dessen Zeugenaussage auch abgeschlossen sei. Schon diese Voraussetzung liege nicht vor. Nach den vorliegenden Unterlagen sei die Vernehmung Kohls und anderer Zeugen durch den Untersuchungsausschuß in der vergangenen Legislaturperiode „vorzeitig abgebrochen“ worden. Dementsprechend werde die Beweisaufnahme durch den neugebildeten Ausschuß mit dem gleichen Untersuchungsauftrag fortgesetzt.

Zum Beschluß der Bonner Staatsanwaltschaft erklärte der Pressesprecher der Grünen im Bundestag, Franz Stänner: „Die Staatsanwaltschaft hat sich mit dem Inhalt der Anzeige materiell nicht befaßt, sondern lediglich formale Gründe geltend gemacht. Die Frage, ob der Bundeskanzler vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat, bleibt also ungeklärt. Für die Grünen besteht deshalb der Verdacht gegen Bundeskanzler Kohl auch weiterhin.“

Für die Grünen hatten deren Abgeordnete Otto Schily und Uschi Eid die Anzeige mit angeblichen Widersprüchen zwischen den Aussagen Kohls vor dem Ausschuß im Februar 1987 und dem Inhalt eines erst kürzlich bekanntgewordenen Schreibens des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß an den Kanzler vom Juli 1984 begründet. Dabei ging es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt Kohl von einem Vertrag über die Lieferung von U -Boot-Plänen deutscher Firmen an Südafrika erfahren hat.

Kohl hatte als Zeuge am 16.Februar 1987 vor dem Ausschuß erklärt, er sei von Kanzleramtschef Wolfgang Schäuble (CDU) erst im Sommer 1985 von dem Vertragsabschluß unterrichtet worden. In dem Strauß-Brief vom Juli 1984 war dagegen unter Hinweis auf ein Gespräch zwischen Kohl und dem bayerischen Ministerpräsidenten beim einem Spaziergang am Tegernsee - bereits von einem getätigten Vertragsabschluß die Rede. Schäuble hatte es für möglich gehalten, daß sich Kohl nicht an diesen Strauß-Brief erinnert habe.

Schily hatte zuvor bereits in einem anderen Fall vergeblich versucht, Kohl einer Falschaussage überführen zu können. 1986 zeigte er ihn wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage vor dem Bonner Flick-Ausschuß und dem Parteispendenausschuß des rheinland-pfälzischen Landtags an. Die Strafverfolgungsbehörden in Koblenz und Bonn stellten nach mehrwöchigen Prüfungen ihre Tätigkeit ein.

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