Typologie des Pressesprecherwesens: Danke, Harry!
Es gibt die seriösen Pressesprecher*innen, die einfach nur ihren Job machen. Und es gibt die anderen – und die bringen richtig Spaß.
D ies ist eine Kolumne für meine allerliebsten Pressesprecher*innen im ganzen Land. Wie ich es genieße, sie mit meinen wochen-, manchmal monatelangen Recherchen zu konfrontieren.
Klar, es gibt diese langweiligen Pressesprecher*innen in Unternehmen, Parteien oder Behörden, die einfach nur professionell ihren Job machen, respektvoll und fristgerecht die Antworten rüberschicken, um die ich sie stets höflich bitte. Aber es gibt auch jene Sprecher*innen auf der anderen Seite der Macht, die ich einfach nur amüsant finde.
Da war neulich ein Sprecher einer süddeutschen Polizeidirektion. Wenige Minuten nachdem ich meine Fragen abgeschickt hatte, rief er direkt bei Ressortleitung und Chefredaktion an, um sich über mich zu beschweren. Es hat sich aber herausgestellt, dass petzen gut für mich als freier Autor ist. Dann haben die Chefs mal meinen Namen gehört und gesehen, wie viel Mühe ich mir gebe. Mein Honorar wurde danach auch nach oben aufgerundet. Danke, Harry!
Neulich hatte ich den Sprecher einer ostdeutschen Landesbehörde am Telefon. Er fand, er müsse mir generell gar keine Auskunft geben. Ich habe ihm dann erklärt, dass ich das gern so in meinen Text schreiben könne. Er war dann noch angepisster als zuvor und sagte, er lasse sich nicht bedrohen. Ich wünschte ihm einen schönen Tag und legte auf. Eine Stunde später trudelte eine Mail mit Antworten ein.
Ich hätte noch länger durchgehalten
Auch nice: Die Variante, erst gar nicht zu antworten oder ans Telefon zu gehen. Bei einer Staatsanwaltschaft haben sie neulich sieben Tage ausgeharrt, mich zunächst hinzuhalten und danach ganz zu ignorieren. Aber dann wurde ihnen die Flut an E-Mails im Halb-Stunden-Takt doch zu viel, und sie haben geantwortet. Schade, ich hätte länger durchgehalten: auf „allen antworten“ klicken > Anfrage neu in die Mail kopieren > senden > repeat.
Eine Recherche hatte im weitesten Sinne mit arabischsprachigen Menschen zu tun. Ein Unternehmenssprecher behauptete daraufhin, dass sich ja alle arabischsprachigen Menschen kennen, suggerierte, dass wir unter einer Decke stecken. Und sowieso sind ja alle Nafris miteinander verwandt: Leuchtet natürlich ein. Seine wütende schriftliche Antwort, meine Fragen seien „nicht seriös“, feiere ich irgendwie. Jede Pressestelle, die ich mit inhaltlichen Nachfragen und Recherchen verärgere, zählt wie drei fett dotierte Journalismuspreise.
Eigentlich kann das Geschäft, wie gesagt, auch super langweilig sein: Journalismus recherchiert, Presseabteilungen antworten auf kritische Fragen, fertig. Dementsprechend bitte ich nun die Pressestelle der Vereinigung der Harry-Pressesprecher*innen bis kommende Woche Donnerstag, 18 Uhr, höflich um die Beantwortung folgender Frage:
Harry, du wolltest doch einfach auch mal in den Nafrichten vorkommen, nicht wahr?
Mit freundlichsten Grüßen
Mohamed Amjahid
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