MDR-Pressesprecher geht in Ruhestand: Der Zu-viel-Beschäftigte

Walter Kehr war einer der besten Pressesprecher Sachsens – er war leider bloß nie zu erreichen. Jetzt geht er in den Ruhestand.

Mann mit Krawatte schaut in Kamera, im Hintergrund steht an einer Wand ZDF.

Walter Kehr, als Leiter der ZDF-Pressestelle im Jahr 2000 Foto: imago

Beim ZDF in Mainz hatte ich fast mal Hausverbot. Womit auch ein Mensch zu tun hatte, um den es hier ein bisschen näher gehen soll: Walter Kehr. Nein, Kehr war es nicht, der mich vom Lerchenberg kegeln wollte. Er hat mich eher mal gerettet.

Es war nach der Sitzung des ZDF-Fernsehrats in Mainz – damals natürlich noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Sitzungssaal hatte anscheinend ein Fernsehratsmitglied ein paar Unterlagen liegen lassen. Da es gute journalistische Praxis ist, die Nase in Dinge zu stecken, die einen nichts angehen, nahm das Schicksal seinen Lauf.

Dass der Eigentümer der Unterlagen auch noch der damalige Fernsehratsvorsitzende und CDU-Politiker Ruprecht Polenz war, machte die Sache nicht eben besser. Zumal er plötzlich wieder im Saal stand. Wie Kehr & Co. die Kuh vom Eis bekommen haben, weiß ich nicht. Aber ich und meine neugierigen Mittäter kamen alle heile raus.

Kehr war eben mit allen Wassern gewaschen. Wir kannten das ZDF nur mit ihm als Pressesprecher, ganz egal wie der Intendant hieß. Doch auf einmal war Kehr weg. Und dann auch noch in Leipzig. Dass Karola Wille ihn 2012 nach ihrer Wahl zur MDR-Intendantin als Kommunikationschef holte, war ein Coup. Da stand Kehr nun plötzlich mitten in der ARD. Ausgerechnet beim MDR.

Bollwerk der NDR-Indendantin

Der Kika-Skandal war noch frisch, der Unterhaltungschef transportierte Geld in Plastiktüten, und der Auftritt des Fernsehballets beim tschetschenischen Diktator war noch in aller Munde. Und der oberste Medienpolitiker in Sachsen hieß Johannes Beermann.

Keine Ahnung, wie oft Kehr in seinen ersten Leipziger Tagen Kakao geschrien hat. Aber er hatte schon damals diese untrügerisch-abgeklärte Ironie, die mancher fälschlicherweise für Zynismus hält. Genau so wenig ist Kehr ein Chauvi – zugegeben, er spielt ihn ganz gerne mal. Aber wenn es tatsächlich wie letztes Jahr bei der Konferenz femmit um Gender & Co. in den Medien geht, steht Walter Kehr ganz außer Dienst da und diskutiert mit.

Beim MDR war Kehr nicht nur Unternehmenssprecher, sondern in erster Linie Bollwerk der Intendantin: Ratgeber, Tröster, heimlicher Leiter der Intendanz, obwohl es den Posten in Leipzig gar nicht gibt. Auch wenn seine bei einem Connewitzer Krawall leicht lädierte Karre immer noch ein Wiesbadener Kennzeichen hat: Den neuen Ländern hat er sich voll und ganz ergeben. Kein Räucherfisch an Mecklenburg-Vorpommerns Ostseeküste ist vor Walter Kehr sicher.

Im ARD-Vorsitz 2016/17 des MDR war es dann fast noch ein bisschen schöner (Disclaimer: Ich war in der Zeit ARD-Sprecher und Kehr mein Chef). Beitragsverweigerer im Knast, stulle Seehofer-Vorschläge, ARD und ZDF doch mal einfach zusammenzulegen, Reformsaboteure in den eigenen ARD-Reihen.

Und mittendrin Walter Kehr, der Zu-viel-Beschäftigte. Eine Umfrage bescheinigte ihm, zu den 50 besten Pressesprechern in Sachsen zu gehören. Mit dem kleinen Zusatz, er wäre leider bloß nie zu erreichen. Und jetzt? Macht Walter Kehr den Kehraus. Wer’s glaubt …

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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