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zwischen den rillenTurntablerocker, De-Phazz, Montana Chromeboy

Clubzeichen D

Zum Dancefloor drängt, am Dancefloor hängt derzeit fast alles, was sich in der Spiegelkugelwelt der deutschen Popmusik neu positionieren will. Auf ihn können sich Musiker und Produzenten einigen, die den dogmatischen Furor der jungen Jahre bereits hinter sich haben und nun vor der Frage stehen, was kommen kann, wenn man der Festlegung auf einen Stil überdrüssig ist und zugleich von der nachwachsenden Generation der 14- bis 18-Jährigen im vermeintlich eigenen Lager ignoriert bis gedisst wird.

Also lächelt man milde, lässt die Jungpuristen im Regen ihres eigenen Authentizitätsgequatsches stehen und nimmt sich endlich auch hierzulande einer Weisheit an, die von globalen Gleichgesinnten wie Moby, Soul Coughing, Beck oder Fatboy Slim seit Jahren gepredigt wird: Die Pophistorie ist ein Supermarkt, der Sampler ist dein Einkaufswagen.

Aufgebrochen aus den Basislagern HipHop (Turntablerocker), Easy Listening Jazz (De-Phazz) und Funk ’n’ Soul (Montana Chromeboy), verweigert man sich nun galant der Verbindlichkeit der Stilgefängnisse und setzt auf weltgewandten Eklektizismus.

So verfolgen die Turntablerocker Michael Beck und DJ Thomilla auf ihrem ersten Studio-Album „Classic“ jenen Ansatz weiter, den sie sich mit gemeinsamen DJ-Sets seit 1996 erarbeitet haben: HipHop ist bei ihnen nicht mehr nur Groove-Plattform für die Egoplustereien von mehr oder minder begabten Rappern. Sie wollen nichts zu tun haben mit diesem unsexy Jungsding, bei dem Selbstbewusstsein durch dicke Lippen und dicke Anoraks ersetzt wird. Vielmehr erinnert man sich, dass der Ursprung von Hiphop in den blockrockin’ Dance-Partys eines Africa Bambaataa lag, der selbst längst den Schritt vom HipHop zum House getan hat. So gerät „Classic“ zu einem so unterhaltsamen wie unverbindlichen Groove-Album zwischen Bigbeat, Downbeat, Dancehall und 2Step.

Einen ähnlichen Appell an die Vergangenheit als Tanzmusik richten De-Phazz an den Jazz, den die Band von Soundmaster Pit Baumgartner auf ihrem dritten Album „Death By Chocolate“ zum Referenzmodell erkoren hat. So wie die Turntablerocker die Selbstverliebtheit des Rappens vermeiden, machen De-Phazz einen geschmeidigen Bogen um akademisches Solistentum. Auch bei ihnen steht Entertainment im Vordergrund, auch sie streifen durch die Stilwelten von Reggae, Dub, Schlager und Filmmusikkitsch. In Verbindung mit dem lieblichen Gesang von Barbara Lahr ergibt das eine Adaption des Dschungelbuch-Soundtracks für die Bedürfnisse der Jungdreißiger und Acid-Jazz-Veteranen, die auf Partys gern latent gelangweilt im Cocktailglas stochern.

Spätestens an diesem Punkt aber kippt das neue deutsche Konsensmodell namens Dancefloor. Denn so weltgewandt und groovy diese beiden Platten auch sein mögen, so spät sind sie auch dran in Sachen Stilfusion um der möglichst flüssigen Amalgamierung willen. Die bessere Alternative bietet „American Massage“, das Debütalbum der Gießener Jungspunde Arne Diedrichsen und Hubertus Cunz alias Montana Chromeboy. Denn sie repräsentieren die nächste Generation, jene Typen, die eher von Butter 08, Cornelius oder The Herbalizer gelernt haben und einem ironisch gebrochenen Kontrastprogramm den Vorzug geben. Bei ihnen prallen störrische Atari-Beats auf seltsames Soul-Gecroone über irgendwelche Cowboystiefel, so dass man den höchst plastischen Eindruck nicht los wird, dass sich Otis Redding mit seinem haifischflossigen, weißwandbereiften, 20-Liter-auf-ebenso-vielen-Kilometern-fressenden Ludenmobil in irgendeiner westamerikanischen Wüste verfahren hat.

Außerdem spielen hier die Original Memphis Horns, die auch auf allen relevanten Stax-Veröffentlichungen der 60er und 70er dabei waren, und das ist – bei allem Respekt – doch cooler als die gestopfte Trompete von Jo Kraus, der es nur bis zu Tab Two geschafft hat.

BJÖRN DÖRING

De-Phazz: „Death by chocolate“, (Universal). Turntablerocker: „Classic“ (Four Music). Montana Chromeboy: „American Massage“ (Yo Mama’s)

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