Türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan: Im Eifer der Unrechts-Justiz

Im Februar wurde die in Deutschland lebende türkische Autorin Aslı Erdoğan freigesprochen. Nun droht ihr erneut ein Prozess wegen „Terrorpropaganda“.

Schriftstellerin Asli Erdogan vor Bücherregal

Physikerin und Schriftstellerin: Asli Erdogan Foto: epd/imago

Der in Deutschland lebenden türkischen Schriftstellerin Aslı Erdoğan droht möglicherweise ein neuer Prozess. Wie ihr Anwalt ihr vor einigen Tagen mitteilte, hat ein Staatsanwalt die im Februar verfügte Einstellung ihres Verfahrens wegen „Terrorpropaganda“ angefochten und will nun vor einem höheren Gericht einen neuen Prozess anstrengen.

Aslı Erdoğan war im Februar dieses Jahres nach einem dreieinhalb Jahre andauernden, zermürbenden Prozess von den Anklagen der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Zersetzungsversuchen“ freigesprochen worden. Ein Verfahren wegen des minder schweren Vorwurfes der „Terrorpropaganda“ wurde eingestellt.

Obwohl der damalige Staatsanwalt gegen dieses Urteil keinen Einspruch erhoben hat und die Einspruchsfrist nach nunmehr vier Monaten längst abgelaufen ist, will nun ein anderer Staatsanwalt die Schriftstellerin vor einem höheren Gericht abermals wegen „Terrorpropaganda“ anklagen.

Politische Entscheidung

Dass es zu einem neuen Prozess kommt, hängt nun formal davon ab, ob ein Gericht eine solche Anklage erneut zulässt. Aslı Erdoğan geht allerdings zu Recht davon aus, dass es sich dabei weniger um eine juristische als vielmehr um eine politische Entscheidung handelt. „Die türkische Justiz ist längst zu einem Instrument der Machthaber geworden“, beklagte sie schon im letzten Jahr.

Auch das deutsche PEN-Zentrum kritisiert die neuerliche Drohung mit einem weiteren Prozess gegen Aslı Erdoğan als rein politisch motiviert. Aslı Erdoğan ist derzeit Stipendiatin im „Writers-in-Exile“ Programm des PEN. Sie lebt in Deutschland und hat in Interviews mehrfach betont, sie wolle nicht mehr in die Türkei zurückgehen, weil ihr Leben dort bedroht ist.

Die Schriftstellerin Aslı Erdo­ğan, geboren in Istanbul 1967, ist von Haus aus Physikerin. Sie hat an der renommierten Bosporus-Universität studiert und zeitweilig am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf gearbeitet. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sie sich aber ganz auf ihre Arbeit als Schriftstellerin und Journalistin konzentriert. Erdoğan hat etliche Romane veröffentlicht und 2010 den wichtigsten türkischen Literaturpreis erhalten.

Im Visier der Herrschenden

Ins Visier der Herrschenden geriet sie, nachdem sie begonnen hatte, in der pro-kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem Kolumnen zu veröffentlichen. Der Zeitung wurde von der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan immer wieder vorgeworfen, Propagandaorgan der kurdischen PKK-Guerilla zu sein. Schon vor dem Putschversuch im Juli 2016 war Özgür Gündem massiv ­unter Druck. Deshalb hatte es eine Solidaritätsaktion von bekannten Journalisten gegeben, die jeweils symbolisch für einen Tag die Chefredaktion von Özgür Gündem übernahmen.

Nach dem Putschversuch nutzte das Regime dann den anschließend verhängten Ausnahmezustand, um Hunderte Medien zu schließen, unter ihnen auch Özgür Gündem. Die Mitarbeiter, unter ihnen auch Aslı Erdoğan, wurden im August 2016 ver­haftet, auch gegen viele der Beteiligten an der Solidaritätsaktion wurden Verfahren wegen „Terrorpropaganda“ angestrengt.

Aslı Erdoğan, die im Gefängnis schwer erkrankte, wurde im Dezember 2016 aus der Untersuchungshaft entlassen, musste jedoch in der Türkei bleiben. Erst im September 2017 erhielt sie ihren Pass zurück und durfte, auch als Ergebnis einer internationalen Solidaritätskampagne, zur Entgegennahme eines Friedenspreises der Stadt Osnabrück ausreisen. Sie lebte seitdem in verschiedenen europäischen Ländern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.