Türkische Opposionspartei CHP: Erneuerer Özgür Özel wird CHP-Chef
Mit dem Ex-Apotheker gibt es einen Generationswechsel bei der CHP. Vorgänger Kılıçdaroğlu hatte gegen Erdogan die Präsidentschaftswahl verloren.
Schon unmittelbar nach der Riesenenttäuschung Ende Mai forderte ein großer Teil der Partei den Rücktritt von Kılıçdaroğlu, doch der 74-jährige CHP-Chef wehrte sich mit allen zur Verfügung stehenden Tricks. Unterstützt von der alten Garde der Partei, tat er alles, um seinen prominentesten Kontrahenten, den Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu, zu verhindern.
Der muss im kommenden März bei den Kommunalwahlen um seine Wiederwahl kämpfen und hat außerdem mehrere Verfahren am Hals, mit denen ihn Erdoğan schon vor den Präsidentschaftswahlen aus der Politik verbannen wollte. Der Widerstand Kılıçdaroğlus, die Parteiführung an ihn zu übergeben, führte letztlich dazu, dass statt İmamoğlu dann der bisherige Geschäftsführer der CHP-Parlamentsfraktion, Özgür Özel, gegen Kılıçdaroğlu antrat.
Der 49-jährige Özgür Özel repräsentiert wie İmamoğlu die neue Generation der CHP. Weniger ideologisch als die alte Garde, hungriger auf Erfolg, eine Generation, die sich nicht mehr damit zufriedengeben will, einige Bürgermeister zu stellen und ansonsten im Parlament von Erdoğan vorgeführt zu werden.
Özels Wahl löst einen parteininternen Motivationsschub aus
Özel ist von Haus aus Apotheker. Er stammt aus der westtürkischen Provinz Manisa und lebt mit seiner Frau, die ebenfalls Pharmazeutin ist, in Izmir, einer Hochburg der CHP, die Erdoğan nie gewinnen konnte. Bevor er 2011 ins Parlament gewählt wurde, war er Vorsitzender der türkischen Apothekervereinigung.
Im Parlament hat Özel sich als scharfer Redner profiliert, vor allem die Jüngeren in der Partei unterstützen ihn. Er will den bürokratischen Apparat der ältesten Partei der Türkei, der sich mehr oder weniger selbst genügt, aufbrechen und neue Akzente setzen.
Am Montag soll ein neuer Parteivorstand gewählt werden. Mit Özel und İmamoğlu steht nun eine neues, junges Team an der Spitze der alten Partei, das gewillt ist, die Depression nach der Niederlage im Mai zu vertreiben und zunächst einmal erfolgreich die von der CHP regierten Großstädte wie Istanbul, Ankara, Izmir, Adana und Antalya bei den Kommunalwahlen im kommenden März zu verteidigen.
Schon jetzt zeigt sich, dass viele CHP-Anhänger durch die Wahl von Özel neu motiviert sind. Die Wahl Özels ist der erste demokratische Wechsel auf einem Parteikongress in der Geschichte der CHP. Aber auch in den anderen türkischen Parteien war bislang nie ein Parteivorsitzender durch demokratische Wahlen abgesetzt worden. Die Wahl von Özel ist deshalb auch ein Zeichen gegen die Diktaturen der großen Patriarchen und für eine Modernisierung des Parteiensystems.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen