Türkische Banken springen ein: Comeback des Mega-Staudamms
Nach der Aufkündigung der Hermes-Bürgschaften aus Deutschland wollen türkische Banken mehr Geld für den umstrittenen Ilisu-Staudamm geben.
BERLIN taz | Die Türkei hat offenbar neue Geldgeber für den Großstaudamm im Südosten der Türkei gefunden. "Wie mir das Konsortium erklärt hat, wurden zusätzliche Geschäftskredite ausgehandelt, der Bau des Ilisu-Damms wird 2010 fortgesetzt", kündigte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Freitag in türkischen Medien an.
Dem Vernehmen nach sollen die türkischen Banken Akbank und Garanti Bank weitere 300 bis 400 Millionen Euro zugesichert haben. Schon zuvor hatten die beiden Kreditinstitute Darlehen über 700 Millionen Euro bereitgestellt. Die Garanti-Bank vermarktet sich als ökologisch orientierte Bank. Insgesamt werden die Baukosten für den Damm auf zwei Milliarden Euro geschätzt.
Seit Jahrzehnten will die Türkei das Megaprojekt, das den Tigris zu einem 300 Quadratkilometer großen See aufstauen würde, im kurdischen Teil des Landes bauen. Doch im vergangenen Juli hatten Deutschland, Österreich und die Schweiz nach dem Scheitern mehrjähriger Verhandlungen geplante Darlehen über 450 Millionen Euro zurückgezogen. Das Projekt verstoße gegen internationale Umwelt- und Sozialstandards. Unklar sei etwa, wie 55.000 Menschen sozialverträglich umgesiedelt werden sollen. Zudem würde die 9.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf geflutet, das weltweit einzige Kulturdenkmal, das neun von zehn Kriterien für ein Unesco-Weltkulturerbe erfüllt.
Der türkische Umweltminister Veysel Erolu kritisierte die drei Länder daraufhin als "unzuverlässig und schlüpfrig". Nun kündigte er weitere Abstriche an: Die 300 archäologischen Stätten sollen nicht mehr verlagert, sondern teilweise nur noch "unter Wasser konserviert" werden.
"Die Ankündigungen sind sicher kein Theaterdonner", sagte Ulrich Eichelmann, der die internationale Kampagne stopilisu.com leitet, am Freitag der taz. Die Türkei sei nach wie vor fest zum Bau entschlossen, das letzte Wort "aber noch lange nicht gesprochen". "Entscheidend ist, ob der Widerstand in der Türkei so groß wird, dass die Regierung letztlich einlenken muss", so Eichelmann.
Der Umweltaktivist schätzt, dass das Vorhaben auch mit der neuen Finanzspritze "mit Sicherheit nicht ausfinanziert ist". Zudem fehle der Türkei bislang das technische Know-how. Derzeit ruhen die Bauarbeiten. Sie sollen im Frühjahr wieder aufgenommen werden.
Das Europäische Parlament hatte am Mittwoch die Türkei in einer Resolution "eindringlich" aufgefordert, alle Arbeiten an dem geplanten Staudamm einzustellen. Eichelmann: "Ilisu wird damit zum Gradmesser für die Frage, ob die Türkei reif für Europa ist."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften