piwik no script img

Tschetschenische Exil-Politiker verhaftetRussland verlangt Auslieferung

In Warschau wurde überraschend der tschetschenische Exil-Politiker Achmed Sakajew festgenommen. Jetzt steckt die polnische Regierung in einem Dilemma.

Der Tschetschene Achmed Sakajew wird von einem polnischen Polizisten abgeführt. Bild: dpa

BERLIN taz | Der im Londoner Exil lebende Chef der "Tschetschenischen Republik Itschkeria", Achmed Sakajew, ist am Freitagmorgen und damit einen Tag nach seiner Einreise nach Polen von der Warschauer Polizei festgenommen worden. Dort wollte er am "Weltkongress des tschetschenischen Volks" teilnehmen. Sakajew stand auf Initiative der russischen Regierung auf der Fahndungsliste von Interpol.

Bereits am Donnerstag hatte der russische Botschafter in Polen Sakajews Festnahme und Auslieferung gefordert. Dort wird der frühere tschetschenische Feldkommandeur und Minister der Regierung von Aslan Maschadow wegen Kidnappings, Mordes und "Extremismus" gesucht.

Warschau werde den Rechtsnormen entsprechend auf das Auslieferungsgesuch reagieren, zitiert die russische Nachrichtenagentur newsru.com Polens Ministerpräsidenten Donald Tusk. "Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir die Aufträge Russlands ausführen", so Tusk.

Obwohl Sakajew auf der Interpol-Fahndungsliste stand, überraschte seine Verhaftung in Polen. Denn in Großbritannien und anderen Ländern Europas schien er sich relativ ungestört zu bewegen.

Noch Mitte Februar hatte sich in Berlin aufgehalten, wo er für eine friedliche Lösung des Tschetschenienkonflikts warb. Im Juni war er auf einer Pressekonferenz in Straßburg aufgetaucht. Nur 2002 hatte man ihn im dänischen Kopenhagen verhaftet, wo er auch einem "Weltkongress des tschetschenischen Volkes" hatte beiwohnen wollen. Er war jedoch nach wenigen Tagen wieder freigelassen worden.

Die russischen Beweise hatten den dänischen Behörden nicht gereicht. Verärgert sagte darauf der damalige Präsident Wladimir Putin einen geplanten Dänemarkbesuch ab. Möglicherweise entschieden sich die polnischen Behörden jetzt für Sakajews Festnahme, weil sie das jüngste Tauwetter in den Beziehungen zu Russland und den für Ende diesen Jahres geplanten Besuch von Russlands Präsident Dmitri Medwedjew in Polen nicht gefährden wollten.

Dabei gilt Sakajew als Mann des Ausgleichs, der auch mit Vertretern des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow spricht. Kurz nachdem er im Sommer 2009 mit diesen Verhandlungen aufgenommen hatte, verurteilte ihn das Oberste Scharia-Gericht des "Kaukasischen Emirats" islamistischen Widerstands im Nordkaukasus, zum Tode. Er lehre eine "demokratische Religion", rufe zum Säkularismus auf und stelle weltliche Gesetze über die Scharia.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • PB
    Peter Bitterli

    Wenn die polnische Regierung Zakajew nicht ausliefert, sollte es EU-Sanktionen hageln, die sich nur so gewaschen haben. Es ist eine ungeheure Frechheit, Zakajew so lange nicht festzunehmen und auch noch als Freiheitshelden abzufeiern. Inzwischen bezeichnet sogar das US-Aussenministerium den tschetschenischen "Widerstand" als "islamistische Terroristen".

  • M
    Markus

    Wenn die polnische Regierung Zakajew ausliefert, sollte es EU-Sanktionen hageln, die sich nur so gewaschen haben. Es ist eine ungeheure Frechheit, Zakajew festzunehmen, nachdem schon dänische und englische Gerichte und Behörden in jahrelangen Verfahren festgestellt haben, daß die Anschuldigungen des kriminellen Putin-Rußlands gegen Zakajew nichts als aus der rotzigen putinistischen Nase gezogener Scheißdreck sind. Sonst nix.