Trotz hoher Milchpreise: Bauern drohen mit Milchboykott
Die Milchviehhalter kündigen Streiks an, sollten die Erzeugerpreise wieder fallen. Einzelhandel und Molkereien raten davon ab.
BERLIN taz Was die Gewerkschaft der Lokführer kann, können auch die Bauern - das meint zumindest der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und droht mit einem Milchlieferstreik.
Derzeit sind die Milchpreise allerdings noch so hoch wie lange nicht - im Durchschnitt zahlen die Molkereien den Erzeugern 40 Cent pro Liter. Damit könnten Bauern kostendeckend arbeiten, manche nutzten bereits die Mehreinnahmen für Renovierungen oder Neuanschaffungen, sagte Romuald Schaber, Vorsitzender des BDM, am Dienstag im Rahmen der Grünen Woche in Berlin. Allerdings sei der Preis bereits wieder unter Druck geraten. Über Weihnachten stieg die Menge von lagerfähiger Milch, also Butter und Magermilchpulver, da unter anderem weniger Joghurt produziert worden ist.
Außerdem soll 2015 die EU-Milchquotenregelung auslaufen. Dann kann jeder Landwirt produzieren, soviel er möchte. Manche Betriebe erhoffen sich vor allem, im Export punkten zu können. Andere, vor allem jene, die im BDM organisiert sind, fürchten einen Preisverfall. Die EU-Kommission kann sich auch vorstellen, dass die Quote schon im kommenden Jahr um 2 Prozent erhöht wird - eine "sanfte Anpassung an 2015". So sollten sich die Molkereien langsam auf einen freien Markt vorbereiten können.
Die Antwort des BDM auf die gesunkenen Preise und den freien EU-Milchmarkt: "Wir müssen Druck auf die Molkereien machen." Denn nur gemeinsam könnte man sich gegen die "Macht" des Einzelhandels wehren. "Druck" bedeutet für den BDM, dass Bauern ihre Milch eine Woche lang wegkippen, anstelle sie an die Molkereien zu liefern. "Wir empfehlen unseren Leuten, für fünf, sechs, sieben Tage Rücklagen anzulegen", sagte Schaber. Anstatt die Mehreinnahmen der vergangenen Monate also "unüberlegt" zu investieren, sollte über einen möglichen Lieferboykott im Frühjahr nachgedacht werden.
Wenn die Milchpreise wieder zurückgingen, seien Landwirte und Molkereien gut damit beraten, den Marktrealitäten ins Auge zu sehen, meint hingegen Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels: "Ich würde von Boykott abraten, denn kein Händler kann bei unsicheren Lieferanten einkaufen. Wir würden uns in einem solchen Fall bei anderen Quellen umsehen." Diese lägen beispielsweise in Polen und Tschechien.
Die Molkereien sehen das ähnlich: "Man kann Druck ausüben, aber ob das zu dem gewünschten Ergebnis führt, bezweifle ich", sagte Michael Brandl, Geschäftsführer des Milchindustrieverbandes, der taz. "Wir sind nicht in der Position gegenüber dem deutschen Einzelhandel, zu sagen: Kauft unsere Milch oder bleibt, wo der Pfeffer wächst."
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