Trotz gutem "Insignia"-Absatz: Opel schnorrt den Staat an
Trotz deutlich verbesserter Auftragslage hoffen die Opelaner weiterhin auf staatliche Hilfen. Für die Rettung von Arbeitsplätzen ist die IG-Metall zu Zugeständnissen bereit.
RÜSSELSHEIM taz "Wir sind Opel!", stand auf den gelben T-Shirts der Arbeiter im modernsten Autowerk der Welt, das die Kanzlerin vor ihrer Rede kurz besichtigte. Auf dem Montageband unter dem Dach der gigantischen Fabrikhalle am westlichen Stadtrand von Rüsselsheim schweben die Stahlgerippe des Insignia ein. Auf dem Band darunter sind die Autos schon fast fertig montiert, jede halbe Minute eines. Hier wird in drei Schichten gearbeitet.
Der Insignia ist derzeit das Erfolgsmodell von Opel. Für das "Auto des Jahres 2009" liegen - nach bereits glänzendem Verkaufsstart Ende 2008 - weitere 80.000 Bestellungen vor, wie der Chef von GM Europe, Carl-Peter Forster, im Gespräch mit Angela Merkel stolz berichtete. Und weil infolge der Abwrackprämie auch andere Opel-Marken, allen voran verbrauchsarme Kleinwagen wie Agila und Corsa, stärker nachgefragt würden, hat sich die Ertragslage des Unternehmens schlagartig verbessert.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat Opel so viele Autos abgesetzt wie seit zehn Jahren nicht mehr. Folglich ist von einer Zahlungsunfähigkeit zum Ende des ersten Quartals, die noch vor kurzem befürchtetet wurde, inzwischen keine Rede mehr. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte Forster. Um den angestrebten europäischen Produktionsverbund Opel realisieren zu können, brauche die Firma für eine Übergangszeit dennoch staatliche Hilfe. Forster unterstützt den Vorschlag von Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der in einem Gespräch mit der Kanzlerin, dem Betriebsrat und der Unternehmensleitung für die Absicherung von Investitionen durch Bürgschaften geworben und eine direkte Staatsbeteiligung abgelehnt hatte.
Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz warb dagegen vehement für eine Beteiligung des Bundes. Zwar begrüße auch er die Bereitschaft der Politik, Investitionen bei Opel durch Staatsbürgschaften zu stützen, "aber lieber wäre uns eine direkte staatliche Beteiligung". Um eine neue europäische Opel AG gründen zu können, werde eine "temporäre Finanzbrücke des Staates" gebraucht.
Auch die IG Metall ist zur Rettung der Opel-Arbeitsplätze zu Zugeständnissen bereit. Bezirksleiter Armin Schild kann sich "Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich und Eingriffe in bestehende Tarifverträge" vorstellen, sofern Opels größere Eigenständigkeit gewährt werde. Schild sprach sich zudem dafür aus, bei der angestrebten Opel Europa AG der Belegschaft größere Mitbestimmungsrechte einzuräumen und sie als Kapitalgeber an der AG zu beteiligen. Eingebunden werden müssten auch die Händler, die bereits erklärt hatten, knapp eine halbe Milliarde Euro investieren zu wollen.
Mit einer guten Nachricht überraschte Forster dann noch den Betriebsrat und die Kanzlerin. Opel könne im Falle der Abspaltung vom Mutterkonzern General Motors über alle notwendigen Patente zur Entwicklung neuer Fahrzeugtypen verfügen, sagte Forster.
Dass US-Präsident Barack Obama Anfang dieser Woche GM weitere 60 Tage Zeit eingeräumt hat, um den von der US-Regierung als unzureichend bewerteten Sanierungsplan nachzubessern, wird in Rüsselsheim begrüßt. In der Stadt und der Region wurden unter dem Motto "Opel retten!" 50.000 Unterschriften gesammelt, die der Bundeskanzlerin übergeben wurden. Auch Oberbürgermeister Stefan Gieltowski (SPD) appellierte an Merkel, Opel für eine Übergangzeit finanziell zu unterstützen, damit das Unternehmen nicht vielleicht doch noch in eine Liquiditätskrise gerät.
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