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Trotz EU-Urteil zu TarifbindungSozial bleibt möglich

Auch nach dem EuGH-Urteil zur örtlichen Tarifbindung können bei öffentlichen Aufträgen soziale Anforderungen gestellt werden.

Dumpinglohn trotz öffentlichem Auftrag? Dagegen will die Gewerkschaft BAU jetzt vorgehen. Bild: dpa

FREIBURG taz Die öffentliche Hand bewegt viel Geld. Pro Jahr vergeben Bund, Länder und Kommunen Aufträge in Höhe von rund 250 Milliarden Euro an die Privatwirtschaft. Es werden Behörden gebaut, Fahrzeuge beschafft und Dienstleistungen eingekauft. Mit diesem Hebel könnte der Staat auch politisch gestalten, wenn er bei der Vergabe der Aufträge soziale und ökologische Anforderungen stellt. Dies ist auch nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) möglich.

Am Donnerstag untersagte der EuGH, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Bezahlung von Tariflöhnen vorgeschrieben wird (siehe taz vom Freitag). Betroffen sind die Gesetze von acht Bundesländern. Zur Verhinderung von Dumpinglöhnen ausländischer Dienstleister dürfen nur die ohnehin geltenden Mechanismen der EU-Entsende-Richtlinie genutzt werden. In Niedersachsen kann bei öffentlichen Aufträgen nach dem Wegfall der Tariftreueklausel nun zwar nicht mehr der normale Tariflohn von 15,24 Euro vorgeschrieben werden, es gilt aber der Bau-Mindestlohn von 12,50 Euro. Die Gewerkschaft BAU will jetzt in den Vergabegesetze von Bund und Ländern festschreiben lassen, dass die Missachtung des Mindestlohns auch mit Vertragsstrafen - und nicht nur mit Bußgeldern - sanktioniert werden kann.

Das Land Berlin ging erst im März über die üblichen Tariftreueklauseln hinaus. Wer einen öffentlichen Auftrag erhält, muss seinen Beschäftigten mindestens 7,50 Euro bezahlen. Diese Klausel dürfte mit dem EuGH-Urteil von Donnerstag und der Entsende-Richtlinie vereinbar sein. Denn hier wird per Gesetz ein Mindestlohn für öffentliche Aufträge eingeführt und nicht nur auf die Tarifverträge von Verbänden verwiesen. Sicher wird der EuGH bald aber auch über diese Klausel zu entscheiden haben. Außerdem liegt ein Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Reform des Vergaberechts vor, der in diesem Frühjahr beschlossen werden soll. Danach kann der Staat neben Preis, Fachkunde und Zuverlässigkeit bei seinen Ausschreibungen auch soziale und umweltbezogene Anforderungen stellen. Damit wird eine EU-Richtlinie von 2004 umgesetzt. Behörden werden damit zwar nicht verpflichtet, eine ökologische Vergabepolitik zu betreiben, aber sie können es tun. Diese gesetzliche Klarstellung soll die Rechtssicherheit der Behörden erhöhen. Der Binnenmarkt darf dadurch aber nicht behindert werden. Ein ökologisch motivierte Bevorzugung regionaler Anbieter wäre also nicht möglich. Unproblematisch ist aber, wenn die Ware selbst ökologischen Anforderungen genügen soll, etwa indem die Verwendung ökologisch vorteilhafter Baumaterialien verlangt wird. Für einen konkreten Auftrag könnte die Bezahlung bestimmter Löhne gefordert werden, um so die Qualifikation der Beschäftigten sicherzustellen.

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