Trotz EU-Sanktionen: Bankendeal mit Russland geplant
Die Raiffeisenbank in Wien plant, eine russische Bank zu übernehmen – trotz Putins Angriffskrieg. Die Grünen machen nun Druck.
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Die Raiffeisenbank International (RBI), eines der größten Finanzinstitute des Landes, soll die Übernahme der Sberbank Europe planen. Als mehrheitlich vom russischen Staat kontrollierte Bank unterliegt die Sberbank dem Sanktionsregime. Wohl aus diesem Grunde wird von allen Beteiligten höchste Diskretion geübt.
Wahrscheinlich wüsste die Öffentlichkeit noch gar nichts, wenn die Wochenzeitung Falter nicht an ein als „private and confidential“ markiertes Schreiben mit dem Betreff „Project Red Bird“ gekommen wäre. „Wir Grüne halten das geschäftliche Treiben der Raiffeisenbank in Russland doch für sehr gravierend,“ kommentierte die Abgeordnete Nina Tomaselli eine diesbezügliche Anfrage an den österreichischen Finanzminister. Darin verweisen die grünen Abgeordneten auf die lukrativen Geschäfte der RBI in Russland. Die Bank profitiere von den Wirtschaftssanktionen gegen russische Banken und dem Ausstieg anderer westlicher Geldinstitute.
Mehr als zwei Milliarden in Russland erwirtschaftet
Tatsächlich hat die RBI im Geschäftsjahr 2022 mehr als zwei Milliarden ihres Gewinns von 3,6 Milliarden Euro in Russland erwirtschaftet. Der Kritik daran begegnet die RBI mit dem Argument: ein Verkauf ihrer Aktiva in Russland sei derzeit nur an kremlnahe Oligarchen möglich. Das würde nicht nur dem russischen Regime nützen, sondern wäre auch ein extrem schlechtes Geschäft, meint der Wirtschaftspublizist Kurt Bayer: „Weil es nur russische Käufer gibt und die von der russischen Regierung approbiert sein müssen, kriegt sie wahrscheinlich höchstens 20 Prozent des tatsächlichen Werts. Und zur Zeit nützt ihr das auch nichts, weil sie das Geld, das sie in Russland erwirtschaftet, auch nicht herausbringt.“ Solange die Sanktionen gelten, bleiben dort erzielte Gewinne eingefroren. Die französische Société Générale etwa ist aus dem Russlandgeschäft mit hohen Verlusten ausgestiegen.Dass die RBI nicht nur ihre Geschäfte im Aggressorstaat weiterführt, sondern dort noch zusätzliche Geschäfte plant, empört nicht nur die Grünen. Da das österreichische Innenministerium dem Deal zustimmen müsste, sehen sie vor allem den konservativen Koalitionspartner ÖVP in der Pflicht.
Aus dem Papier, das dem Falter vorliegt, geht wohl hervor, dass die RBI internationale Wirtschaftsprüfer und Anwälte mit einer sogenannten Due-Diligence-Prüfung der Sberbank Europe beauftragt hat – beziehungsweise dessen, was von der Sberbank Europe noch übrig ist. Sie wurde nämlich Mitte letzten Jahres auf Geheiß der Europäischen Zentralbank von der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) liquidiert. Die Bankkonzession ist erloschen. Es geht technisch um die Abwicklungsgesellschaft mit den noch verbliebenen Vermögenswerten, also ausstehenden Krediten.
Warum aber lässt sich die RBI auf so ein ökonomisch riskantes und politisch heikles Geschäft ein? „Je höher das Risiko, desto höher sind auch die Gewinne“, sagt eine Insiderin, die ihren Namen nicht nennen will: „Aber natürlich auch, je höher das Risiko, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das ein Verlustgeschäft ist.“ Raiffeisen habe eine lange Historie mit riskanten Osteuropageschäften und sei damit nicht immer gut gefahren. Österreich habe aufgrund des hohen Osteuropa-Engagements in diesem Bereich ein systemisches Risiko. Die RBI musste wegen des Osteuroparisikos Kapitalpuffer als Risikovorsorge anlegen.
„Das haben sie sich selber eingebrockt“
Die Insiderin, die der RBI dringend von dem Geschäft abraten würde, sieht auch ein „riesiges Reputationsrisiko für den österreichischen Finanzmarkt.“ Sie fürchtet, dass davon auch andere Banken betroffen sein könnten. Geht es nach ihr, sollte die RBI sich überhaupt schleunigst aus Russland zurückziehen: „Wenn das heißt, Putin kriegt die Bank um einen Rubel, sage ich Ja. Aber das haben Sie sich selber eingebrockt.“
Für die ÖVP, die sich gerne als Wirtschaftspartei definiert, ist die Sache hochbrisant. Sie stellt nicht nur die mit der Materie befassten Finanz- und Innenminister, sondern ist auch eng verflochten mit dem Raiffeisen-Konzern. Der österreichische Finanzminister hat acht Wochen Zeit, die Anfrage der Grünen zu beantworten. Auf eine Medienanfrage ließ das Ministerium aber bereits anklingen, dass sie die Geschäfte als „üblichen Vorgang“ bewerte. Gut möglich also, dass der Innenminister die nötige Zeit hat, um über den Deal zu entscheiden, und die Übernahme am Ende durchwinkt oder womöglich doch noch stoppt.
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