Berliner Szenen: Tricks
Er zwinkert
Heute darf Max das Geld für den Wochenendeinkauf in seinem neuen Portemonnaie aufbewahren. Er ist stolz wie Bolle, während wir uns bei Rewe durch die Gänge arbeiten. „100 Euro! Ich hatte noch nie 100 Euro in meinem Portemonnaie“, wiederholt er zum gefühlt zehnten Mal. Sicherlich weiß längst die halbe Supermarktkundschaft, wie viel Kröten mein sechsjähriger Sohn mit sich führt. Einige schmunzeln, andere hecken vielleicht schon was aus.
Ich beuge mich zu ihm. „Nicht so laut sagen, wie viel Geld du hast!“, erkläre ich ihm leise. Er schaut mich erstaunt an: „Warum denn?“ „Manchmal sind bei Rewe auch Diebe“, flüstere ich. „Und wenn die wissen, dass du so viel Geld hast, 100 Euro – dann klauen die dir vielleicht dein Portemonnaie.“ Max’ Augen öffnen sich noch weiter. In seinem Kopf arbeitet es. „Und warum gehen wir dann nicht zu Kaiser’s?“, will er wissen. „Da gibt es auch Diebe.“ – „Echt?“ Er sieht ein bisschen verängstigt aus. Ich nehme ihn in den Arm.
„Macht dir keine Sorgen! Wir passen auf. Dann passiert auch nichts. Deswegen dürfen wir auch nicht laut sagen, dass wir so viel Geld haben.“ Er nickt. Wir setzen uns wieder in Bewegung. Zwanzig Minuten später habe ich den Einkaufszettel fast durch. Fehlen nur noch die Tiefkühlartikel. Ich will mir gerade eine Packung Spinat nehmen, als mich Max antippt: „Haben wir denn überhaupt genug Geld? Hoffentlich reicht das Geld. Wir haben doch nicht so viel.“ Er spricht auch für seine Verhältnisse ungewöhnlich laut und deutlich. Ich halte irritiert inne. Befürchtet er wirklich, dass wir nicht genug Bares dabeihaben könnten?„Ich hab noch was“, beruhige ich ihn. Er zwinkert mir zu und lächelt verschmitzt. Dann flüstert er: „Ich tricks nur den Dieb aus.“ Er ist wirklich mit allen Wassern gewaschen. Bei ihm sind Gauner an der falschen Adresse. Ich zwinkere zurück. Stephan Serin
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