Trends bei Lebensmitteln und Technik: Katzenfutter mit KI
Ohne Farbstoffe, ohne Zuckerzusatz, glutenfrei. Bei Lebensmitteln ist es längst normal, auf das hinzuweisen, was nicht drin ist. Und bei Technik?
F rüher war mehr „mit“. Mit Lametta (am Nadelbaum), mit Schnee (im Winter), mit Wärmestrahlung (bei Glühbirnen), aber vor allem beim Verkaufen. Eine Firma, die ihr Produkt anpreisen wollte, machte das über plakative Hinweise, was neben dem Offensichtlichen noch so drin sei. Nur Zucker, Gelatine und Farbstoffe aka Fruchtgummi? Nein, mit Vitaminen!
In der Geschichte ein bisschen nach vorne gespult und wir sind im Heute: Das „mit“ hat sich ausgehypt und plötzlich liegt „ohne“ im Trend. Im Supermarkt: ohne Konservierungsstoffe, ohne Zuckerzusatz, ohne Gluten. In der Drogerie: ohne Silikone, ohne Octocrylen, ohne Parfüm, Parabene und Farbstoffe. Natürlich heißt das umgekehrt, dass es doch noch ziemlich viele Produkte gibt, in denen all das drin steckt, aber hey: Auch beim Ausmisten muss man ja mal an einer Stelle anfangen.
Jedenfalls: Was Technik angeht, stecken wir noch ganz tief drin in der Mit-Phase. Was gerade am meisten gehypt wird, das muss natürlich rein. Was also wäre ein neues IT-Vorhaben ohne künstliche Intelligenz? Vielleicht in Wahrheit sinnvoller, besser und weniger energieintensiv. Aber das ist nicht der Punkt. Kundenbetreuung? Gesundheitsapp? Asylverfahren? Es gibt nichts, das sich nicht durch eine Prise KI verfeinern ließe – und wenn es nur dazu dient, zu zeigen, dass man am Puls der Zeit ist.
Immerhin: KI hat mit seinem Hype endlich das vorige Mit-Thema ins Aus gekickt: Blockchain. Das hielt sich erstaunlich lange, wurde zwischendurch kurz überlagert vom Metaverse und von NFTs, von denen heute nur noch Nerds wissen, was das eigentlich ist und dass es auch etwas mit Blockchains zu tun hat.
Das Ohne-Zeitalter auch für KI?
Dass es mit dem Blockchain-Thema zu Ende ging, hätte man spätestens dann ahnen können, als Brauereien anfingen, das Logo der Kryptowährung Bitcoin auf Biere zu drucken. Hat ja auch wirklich viel miteinander zu tun: Kann beides in Überdosis gefährlich werden, ist in der Herstellung etwas für Spezialist:innen und na ja, beides beginnt mit dem Buchstaben B.
Warum sollte das mit KI nicht funktionieren? Katzenfutter, Koriander, Kartoffelecken, Käse, Kaffee, Kürbis, Kalbfleisch – da lässt sich mit KI bestimmt noch etwas rausholen. Und wenn sich jemand entscheiden müsste, ob lieber Zusatzstoff E 357 aka Kaliumadipat oder KI im Kuchen sein soll, dann vielleicht doch lieber Letzteres.
Doch womöglich beginnt ja auch bald in der IT das Ohne-Zeitalter. Und überall werben „Ohne Blockchain“-, „KI-frei“- und „Ohne Cloud“-Siegel für Software, die nur das enthält, was auch drin sein muss. Bis dahin dürfen wir uns sicher über weitere interessante Ideen freuen: Wie wäre es denn mit einem Kundenbetreuungschat mit 3-D-Hologramm-Avatar?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?