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Treibjagd auf Westerwelle beendetWenn es vorbei ist

Westerwelle bleibt, obwohl alle auf seinen Rücktritt gewartet haben, einige Medien schrieben ihn förmlich herbei. Aber wenn sich alle einig sind, wird es in der Regel unheimlich.

Noch ist er da, aber viele Medien wollen seinen Abgang herbeischreiben. Bild: dapd

BERLIN taz | Deutschland erklärt Gaddafi doch noch den Krieg - jetzt, wo er bereits am Boden liegt. Zuvor konnte man leider gar nichts machen, und schuld daran ist nur Außenminister Guido Westerwelle, der sich bei der Abstimmung des Weltsicherheitsrats über eine Flugverbotszone in Libyen enthalten hatte. So scheint es zumindest, wirft man einen Blick auf die aktuelle Treibjagd-debatte rund um Westerwelle.

Dessen Vorgänger, Joschka Fischer, bezeichnete Westerwelles Enthaltung im Spiegel jüngst als das "vielleicht größte außenpolitische Debakel seit Gründung der Bundesrepublik". Nach Westerwelles jüngstem Patzer - er hatte die libyschen Bombardement-Bemühungen der Nato-Partner nicht hinreichend gewürdigt - gibt es nun kein Halten mehr: Weg soll er, endgültig.

"Es ist vorbei", titelte Spiegel Online, Schluss solle sein mit den "Peinlichkeiten" eines Ministers, der nicht regieren könne, der "ungeeignet" sei, "gedemütigt". Allenfalls könne man noch "Mitleid" mit ihm empfinden. Selten, so liest man dort, sei "ein Politiker so hoch gestiegen und so tief gefallen", aber das "Auswärtige Amt ist keine politische Besserungsanstalt".

Das ist hart. Aber steht es eigentlich im Verhältnis zu den tatsächlichen politischen Geschehnissen? War nicht die Mehrheit der Deutschen einverstanden mit der Enthaltung? Stand nicht die Regierung hinter dem Beschluss, sich aus kriegerischen Handlungen herauszuhalten?

Strick oder Rücktritt?

Es bleibt ein seltsamer Beigeschmack, der den zahlreichen im Internet kursierenden Westerwelle-Witzen und Onlinekommentaren deutlicher beigemengt ist, als es sich in der offiziellen Debatte geziemen würde: Abscheu, Verachtung.

Wann eigentlich ist endlich Ruhe, wann ist der Zorn befriedigt? Wenn der Außenminister am Strick baumelt, womöglich von eigener Hand geknüpft? Oder reicht auch ein einfacher Rücktritt? Guido Westerwelle, so dräut es, habe dem Ansehen der Bundesrepublik Schaden zugefügt. Nun hat man die Beweise für das, was man eigentlich immer schon empfunden hatte: ausgerechnet der als Außenminister, muss das sein?

Nun klammere er sich an sein Amt, schreibt Spiegel Online - bei anderen Herren würde man sagen: Er bleibt standhaft. Westerwelle, der Passive, wird nur noch "mitgeschleppt", obwohl er doch "untragbar" ist. Westerwelle soll weg, Ordnung soll wieder einkehren. Sein Amt als Parteivorsitzender hat nun ein "Familienvater" übernommen, für sein Amt als Außenminister ist unter anderem ein Herr aus dem Adel vorgesehen.

Wir erinnern uns an dieser Stelle an einen anderen Minister, der zwar nicht von ganz unten aufstieg, aber verdammt tief fiel. Hat man Herrn zu Guttenberg eigentlich auch ins Gesicht getreten, als er am Boden lag?

Mit Titan ummäntelt

Guido Westerwelle hat zu seiner Unbeliebtheit das meiste selbst beigetragen. Stets schien er nie wirklich er selbst zu sein. Rechthaberisch, stur, unbelehrbar - als sei er mit Titan ummäntelt. Kaum möglich, an ihn heranzukommen - es blieb stets nur die Ferndiagnose ("narzisstische Störung", "Realitätsverlust".)

Was ist da eigentlich schiefgelaufen? Es muss sich um ein Missverständnis zwischen Guido Westerwelle und der deutschen Öffentlichkeit gehandelt haben.

Es gab durchaus den Versuch, ihn als Menschen wahrzunehmen. Seine Partnerschaft mit einem Mann okay zu finden und auch mal fünf gerade sein zu lassen. Aber am Ende blieb doch nur Hass. Auf das Andere, das man nicht verstehen kann, obwohl man guten Willens war? Wenn es vorbei ist, sieht man klarer.

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12 Kommentare

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  • K
    katzmandu

    Seit seinem NEIN zum Libyenkrieg ist WW für mich ein Held.Die NATO begeht ein Kriegsverbrechen nach dem anderen. Vorzugeben, das Volk retten zu wollen, um es dann eigenhändig umzubringen, (auch mit DU-Munition) und ihre Infrastruktur zu zerstören, ist m.E. ein Raubzug um sich Öl, Wasser, Gold, etc. anzueignen.

  • W
    wolf

    ihr kommentar ist zu einseitig auf die medien gerichtet. westerwelle war von seinem ersten auftritt an eine nichthaltbare figur. aber machen wir uns nichts vor, ein rösler, der sowohl gesundheits als auch wirtschaftsminister kann spielt nicht wirklich in einer anderen liga. oder ein niebel der entwicklungshilfe an wirtschaftliche zusammenarbeit knüpfen will. das problem ist nur, wie gesagt, dass westerwelle die ganze zeit schon ein offensichtlicher (offensichtlicher als niebel und rösler zb) clown war. dass rösler die debatte montags beginnt und mittwochs beendet ist ein deutlicher hinweis, dass die fdp westerwelle loswerden will, was einen aber nicht richtig freuen kann. nachdem er soviel schaden angerichtet hat, könnte die fdp ihn als altlast behalten und weiterhin stimmen einbüßen bis zur nächsten wahl. so verjüngen sie sich, und der spiegel schüttet all die häme aus die er sich aus gefälligkeit die jahre verkniffen hat, ein schauriger artikel ist der von ihen zitierte gewesen. guttenberg tritt man nicht, der muss doch noch widerauferstehen. geläutert wie der phoenix aus der asche.

  • A
    atypixx

    Wir brauchen keine NLP-Sprechblasenspucker in der ersten Reihe. Leider ist WW hiervon nur eine Extremform.

  • P
    PeterPaul

    Seinen Job verliert er, weil der Rösler ganz nach oben will und der Westerwelle der letzte ist, der Ihm noch im Wege steht. Westerwelle hat wohl die Lobbyisten die unbedingt Ihren Gefolgsmann Rösler haben wollen, verärgert und enttäuscht. Hier geht es um Lobbypolitik die ganz Deutschland in ihre Gewalt bringen will und nicht um politische Entscheidungen im Sinne des Volkes. Aber Populismus in den Propagandismen wirken halt.

    Davon abgesehen ist das aber auch egal, da die FDP sowieso verschwindet. Und so einer wie Rösler und Westerwelle werden nach diesen Aufstiegen und dieser Übeheblichkeit noch tief fallen. Aber einen Job in der Pharmaindustrie hat der Rösler bestimmt jetzt schon im Sack. Und Westerwelle wird bestimmt auch kein Hart4-ler. Das Dankeschön der Indutrie ist doch beschlossene Sache. Gute Politik und das Wohl der Bevölkerung ist dabei noch nicht einmal mehr Nebensache.

  • JM
    Jules Mari

    Naja, die taz sitzt hier nach meiner Wahrnehmung auch etwas im Glashaus und sollte wohl nicht zu viele Steine werfen...

  • T
    Thomas

    Selten so etwas unausgegorenes gelesen!

     

    Ich sehe in der berechtigten Kritik an Herrn Westerwelle keine unterschwellige Homophobie, auch keinen missverstandenen Politiker.

     

    Herr Westerwelle ist für seine krude Aussenpolitik, seine ungefragten innenpolitischen Ansichten und seines überheblichen Auftretens wegen in der Kritik. Und dies durchaus berechtigt.

  • R
    RoundandBrown

    Also ich hätte es gerne schon viel früher gehabt, dass man den arroganten und überheblichen Westerwelle zu Teufel jagd.

     

    Aber in der Libyenfrage hat er mit dem Raushalten Deutscher Truppen aus diesesm Massakker, das ein ganzes Land für die nächsten Jahre ins Chaos stürzt und das nur für ÖL, wenigstens einmal das Richtige getan. Jetzt wird er geschasst, weil er einmal Character bewiesen hat und den Amis kontra gegeben hat und bei der Schweinerei dort die blinde Vasallenhilfe verweigerte. Hochachtung in dieser Entscheidung.

  • A
    Anotherone

    Das offiziell jetzt viele (alle?) über Libyen jubeln verschlägt mir die Sprache. Westerwelle hat aus meiner Sicht durchaus Defizite, aber seine Haltung zu diesem Konflikt fällt für mich nicht darunter. Dieses opportunistische Gewäsch (auch von Herrn Fischer) mag ja politisch korrekt sein, menschlich ist es schwach. Wenn man von anderen Ländern nur respektiert wird, wenn man jeden Scheiß mitmacht, dann brauchen wir aus meiner Sicht diesen Respekt nicht.

  • WW
    Wolfgang Weinmann

    Zitat "Westerwelle bleibt, obwohl alle auf seinen Rücktritt gewartet haben, einige Medien schrieben ihn förmlich herbei."

     

    Mit an forderster Front: Die TAZ, die keinen Möglichkeit ausläßt einen Angriff auf Herrn Westerwelle zu führen. Ganz anders als bei dem BaWü-Bahnhofsnichtmöger Herr Hermann. Der liefert genug Angriffsfläche, hat aber die für die TAZ richtige Parteizugehörigkeit und somit praktisch einen Freischein. Tja liebe TAZ-RedakteurInnen - unabhägig und überparteilich ist die TAZ nicht mal im Ansatz. Eher schon das inoffizielle GrünInnen-Parteiorgan.

  • E
    EnzoAduro

    Man hat auf Hr. Guttenberg so lange eingetreten wie er im Amt war. Das ist hier nicht anders.

  • G
    geschichtswerkstatt

    Ich halte diesen Hype für übertrieben. Nun gut, er hatte wenig Talent zum Außenminister und hat sich nun reichlich zum Löffel gemacht. Nun verdient er etwas Mitleid und nicht den Rat, sich den Strick zu nehmen. Uns allen sollte viel mehr bange weden bei der Vorstellung, was danach kommen könnte: Ein Wulf im Schafspelz, der ständig nach deutschen Truppen in Krisenregionen ruft?

  • B
    Bürger

    Bei aller Liebe zur Kritik, aber der Artikel spricht mir da aus der Seele, die mediale Debatte gegen Westerwelle ist doch nun wahrlich übertrieben. Ist das dem Sommerloch geschuldet? Teilweise wird da ja schon nachträgliche Kriegshetze betrieben!

     

    Allerdings sei angenmerkt, das eine Zustimmung im Sicherheitsrat nicht zwangsweise eine militärische Beteiligung nach sich hätte ziehen müssen. Mein Problem mit Westerwelles damaliger Enthaltung war vielmehr das was er in diesem Kontext alles noch gesagt hat. Seine ganze Argumentation bezüglich Lyien und Gaddafi hätte eigentlich in einem "JA" münden müssen. Mit seiner Enthaltung hat er sich m.E. eindeutig als Populist geoutet der schlichtweg vor den Wahlen keine (vermeintliche) Kriegsbeteiligung wollte.