Treffen von Rechtspopulisten in Wien: Europas Rechte fühlen sich stark
In Wien plädieren die Rechtspopulisten beim Gipfeltreffen für den Brexit. Der „Unmut der Völker“ soll die EU hinwegfegen.

Seit den Präsidentschaftswahlen im Mai genießt die FPÖ ein gewisses Starimage unter Europas Rechtspopulisten. Mitte Juni traf sich Strache mit AfD-Chefin Frauke Petry zum medial inszenierten Gipfelgespräch auf der Zugspitze, jetzt profilierte er sich als Netzwerker der Europagegner. Vordergründiger Anlass: Vor einem Jahr wurde im EU-Parlament die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) gegründet, die die Freiheit vom „Brüsseler Diktat“ anstrebt. Von ursprünglich sechs ist sie inzwischen auf neun Parteien angewachsen, darunter die AfD, die durch Frauke Petrys Lebensgefährten Marcus Pretzell vertreten war. Stargast war aber Marine Le Pen, die Chefin des französischen Front National, die nach dem Auftritt einer Schuhplattlergruppe reden durfte.
„Die Europäische Union hat sich als komplette Katastrophe erwiesen“, urteilte sie in ihrer Ansprache. Sie vertrete nur die Interessen der großen Konzerne und unterhöhle die Rechte der Arbeitnehmer. Auch die Gewerkschaften seien „durchdrungen von Europäismus“, gab sie sich als Vertreterin des kleinen Mannes. Norbert Hofer, gescheiterter Bundespräsidentschaftskandidat, applaudierte heftig. Und Gastgeber Strache legte nach: „Der Unmut unter den Völkern Europas ist groß.“ Allen Mitgliedern der Europäischen Union solle die Gelegenheit gegeben werden, wie die Briten über ihren Verbleib in der Union abzustimmen. Brexit für alle quasi.
Rot-weiß-rote Fähnchen schwingende FPÖ-Anhänger johlten begeistert. In einem TV-Interview präzisierte Le Pen ihre eigenen Pläne für den Fall, dass sie Präsidentin von Frankreich wird: „An dem Tag, an dem ich gewählt werde, organisiere ich binnen sechs Monaten eine Volksabstimmung.“ Die Union müsse Frankreich vier Dinge zurückgeben: „die Herrschaft über unsere Wirtschaft, unser Geld, unsere Gesetze und unser Staatsgebiet“. Sollte die EU dazu nicht bereit sein, würde sie ihrem Volk den Austritt empfehlen.
Marine Le Pen, Front National
Die EU sei der Tod der Demokratie, der Islam und die Muslime eine Bedrohung der Sicherheit und Identität in Europa. In diesen Punkten waren sich neben den österreichischen Gastgebern die Vertreter aus Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Italien, Polen, Tschechien und Rumänien einig. Mancher Redner bemühte die Türkenbelagerung – 1529 und 1683 scheiterte die Expansion des Osmanischen Reices nach Mitteleuropa vor den Toren Wiens –, um die Herausforderungen der Gegenwart drastisch zu illustrieren. Die große Klammer für die nationalistischen Parteien ist die Ablehnung der EU, sofern sie nicht zu einem „Europa der Vaterländer“ auf eine Freihandelszone reduziert wird.
„Ein großer Patriot liebt das, was Deutschland einmal war“, verkündete Marcus Pretzell (AfD) und ließ damit der Fantasie des Publikums großen Raum: „Wir werden uns unsere Kultur, Sprache und Identität zurückholen.“ Er pries den FPÖ-Europaabgeordneten Harald Vilimsky. Denn der habe „nicht unerhebliche Arbeit geleistet, dass ich Teil des ENF sein kann“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens