Trauer auf dem Pariser Platz in Berlin: Angestrahlt in Blau, Weiß, Rot
Zum Gedenken an die Opfer legen Menschen Blumen vor der französischen Botschaft nieder. Andere versuchen die Stimmung für sich zu nutzen.
„Ihr habt keine Religion. Ihr seid feige Mörder. Berlin trauert mit Paris“, steht auf einer Pappe. „Ich bin zum ersten Mal bei so etwas“, sagt ein junger Mann, als er eine Kerze dazustellt. Wie viele andere fotografiert er den rund 30 Meter langen Streifen aus Blumen, Kerzen und Botschaften, der im Laufe des Abends immer breiter wird.
Dahinter leuchtet das Brandenburger Tor, angestrahlt in Blau, Weiß, Rot – den Farben der Trikolore. In der Mitte des Platzes haben sich Mitglieder des Deutsch-Tunesischen Vereins mit mehreren Kindern aufgestellt, sie halten Schilder hoch: „Wir sind Muslime. Wir sind gegen Terror.“
Ein paar Schritte weiter diskutieren drei Männer über einen umstrittenen Facebook-Post von Matthias Matussek. Eine Frau trägt ein Schild vorbei: „Nous sommes unis“ (Wir sind vereint). Französisch und Deutsch sind vor allem zu hören, aber auch andere Sprachen.
„Unsere Antwort: Mehr Demokratie“
Gegen 17:30 Uhr sperren Polizisten die Straße zur Botschaft ab. Sicherheitszone, keiner darf mehr durch. Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD), in langem, dunklem Mantel, trifft ein, um sich in der Botschaft ins Kondolenzbuch einzutragen. Mit dabei ist auch Innensenator Frank Henkel (CDU). Draußen tritt währenddessen eine Gruppe SPD-Politiker rund um den Landesvorsitzenden Jan Stöß an den Blumenstreifen, sie kommt gerade vom Parteitag.
Hinter sich entrollen die Parteimitglieder ein Banner, auf dem der norwegische Politiker Jens Stoltenberg mit seiner Reaktion auf die Anschläge in Oslo und Utoya zitiert wird: „Unsere Antwort: Mehr Demokratie. Mehr Offenheit. Mehr Menschlichkeit.“ Mehrere Parteimitglieder tragen SPD-Fahnen.
„Es ist wirklich unangebracht, dass hier heute Politiker herkommen. Das hier ist für die Menschen. Für Menschen, die gestorben sind“, sagt eine Frau auf Französisch. „Es kommt von Herzen“, verteidigt sich einer der Fahnenträger. „Populisten, igitt“, kommt als Antwort. Müller ist inzwischen aus der Botschaft gekommen, er gesellt sich zu den SPD-Politikern. Geschlossen laufen sie mit dem Banner nach vorn bis ans Brandenburger Tor, jetzt ohne Polizeischutz. Ihr Auftritt erinnert an die Bilder von den geeint zusammenstehenden Politikern bei der großen Demonstration in Paris im Januar dieses Jahres.
Auch aus rechtsextremen Gruppen kommen Kondolenzbekundungen. Ein Fotograf berichtet, dass er AfD-Plakate gesehen habe. Die Polizei habe ein „Merkel muss weg“-Plakat entfernt. Linke Aktivisten sind sich außerdem sicher, gegen sieben Uhr mindestens sechs Mitglieder der Identitären Bewegung zu erkennen, die ebenfalls Rosen vor die Botschaft legen. Außerdem stellen sie rote, mit ihrem Logo beklebte Grablichter auf. Einer der Männer trägt eine Holzstange, eine Flagge entrollen sie jedoch nicht. Nachdem die Gruppe gegangen ist, entfernen zwei Aktivisten die Aufkleber von den Kerzen und stellen sie zurück.
Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten sich bereits am Mittag in das Kondolenzbuch eingetragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative