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Transrapid rast mit Tempo 400 ins Nirgendwo

Ob die Magnetbahn zwischen Hamburg und Berlin gebaut wird, bleibt offen/ Verkehrsminister Krause kündigt nach einer Probefahrt im Emsland einen schnellen Baubeginn an, verweigert aber Subventionen  ■ Von Hans-Martin Tillack

Bonn/Lathen (taz) — Kein Zweifel, es schwebt. Ab und zu wackelt das torpedoförmige Gefährt ein wenig, zuweilen scheppert es in der Verkleidung. Manchmal legt sich TR07 so scharf in die Kurve, daß es den Passagier beinahe aus dem Sitz wirft. Aber die Magnetbahn beschleunigt mühelos und leise surrend bis auf 401 Stundenkilometer und kommt wenige Minuten später wieder solide zum Stehen.

Schon nach der ersten Probefahrt ist der Verkehrsminister überzeugt. Eigentlich war er das schon vorher, aber nun, meint Günther Krause, müßten das auch alle Zweifler einsehen: Der Transrapid ist keine Spielerei. Er funktioniert und ist darüber hinaus „anderen Verkehrsträgern weit voraus“: Schneller sei er, leiser und sparsamer im Energieverbrauch.

Minister und Ministerpräsidenten von fünf Bundesländern und eine große Journalistenschar hatten Krause und Forschungsminister Heinz Riesenhuber am Mittwoch zur Teststrecke ins emsländische Lathen gekarrt. Auf der 31,5 Kilometer langen Schleife drehen die Prototypen seit 1984 ihre Runden. Ob der Zug jemals andere Ziele ansteuern wird als die Äcker zwischen Lathen und Dörpen, ist jedoch immer noch offen — obwohl Krause den allerbesten Willen demonstriert.

Für eine Transrapid-Verbindung zwischen Hamburg und Berlin könnten die Bauarbeiten jetzt „sehr schnell“ beginnen, verheißt der Minister. Gleich darauf schränkt er ein, das gelte nur für einen ersten, etwa 50 Kilometer langen Abschnitt, auf dem dann weitere Dauertests stattfinden könnten. Entlang der Autobahn, vielleicht auch über ihr, soll die Trasse aufgeständert werden. Steht die Verbindung zwischen Hamburg und Berlin, wird ein Zehn-Minuten- Takt angepeilt, als wäre es die S-Bahn. Hamburg und Berlin „werden eine Stadt“, schwärmt Riesenhuber, denn die Fahrzeit soll unter einer Stunde bleiben.

Würde gutes Zureden helfen, müßte die Bahn schon unterwegs sein. Doch die Firmen, die den Zug entwickelt haben und die nun die Strecke bauen wollen, AEG, Siemens und Thyssen, rufen zwar händeringend nach der Hamburg-Berlin-Strecke, scheuen aber die hohen Kosten. Offiziell ist immer noch von 8,3 Milliarden Mark die Rede. Doch selbst Thyssen-Vorständler Eckhard Rohkamm spricht inzwischen von einer „zweistelligen Milliardensumme“, die von der Industrie allein nie und nimmer aufgebracht werden könnte.

„Schneller Brüter der Verkehrstechnik“?

Genau dazu würde Krause die Firmen gerne zwingen. Für den Bundeshaushalt dürfe und werde es „keine Belastung“ geben, versichert er. Bis heute hat das Forschungsministerium bereits 1,6 Milliarden in das Projekt gepumpt, das Kritiker deshalb gerne als den „schnellen Brüter der Verkehrstechnik“ bezeichnen. Auf jeden Fall zieht die Bahn Subventionen geradezu magnetisch an: Zusätzliche 450 Millionen Forschungsgelder sind bereits zugesagt, und Rohkamm möchte weitere Forderungen an Riesenhuber nicht ausschließen.

Ebensowenig scheint es ausgeschlossen, daß die Milliarden verloren sind und der Transrapid genauso als Forschungsruine endet wie der Reaktor in Kalkar. Krause demonstriert so heftig seinen guten Willen, daß es wie eine Vorsorge für den Fall erscheint, daß das Projekt scheitern sollte. Schwärmereien allein beeindrucken die Industrie aber herzlich wenig. Er sei „ein bißchen enttäuscht“, gesteht Rohkamm, daß Krause für das Planungsverfahren „drei bis fünf“ Jahre veranschlage. Er hätte zwei Jahre erwartet.

Der Minister beschwört lieber die glorreiche Zukunft des Magnetzuges. Bis nach Moskau könnten die Bahnen eines Tages schweben, versichert er. Tatsächlich konnten die von den Herstellern gepriesenen Vorteile des Transrapid noch nirgendwo überzeugen. Etwa daß der Lärm unbestreitbar geringer ist als bei der Eisenbahn. Selbst das Geräusch eines mit 360 Stundenkilometern vorbeieilenden Zuges wird beinahe vom Lärm eines Panzers übertönt, der gerade unter den Stelzen hindurchrattert.

Dennoch könnte sich der Einsatz des High-Tech-Flitzers rasch auf seine Rummelplatzqualitäten reduzieren. Sicher kein Wunder, daß die Hersteller bisher nirgends in Europa, wohl aber in Orlando/Florida auf ernsthaftes Interesse gestoßen sind. Dort soll eine 22-Kilometer- Strecke den Flughafen mit Disney World verbinden. In allen anderen Fällen zeigt sich, so Riesenhubers Ministerium, „daß die Akquisition ohne Referenzstrecke in Deutschland nur geringe Erfolgsaussichten hat“.

Auf Stelzen über Berlin

In Deutschland dagegen ist die Magnetbahn nach Expertenmeinung so unnötig wie ein Kropf. Selbst der wissenschaftliche Beirat des Verkehrsministeriums befürchtet, daß die Magnetbahn in erster Linie der Eisenbahn Kunden wegnehmen könnte — zumal moderne Hochgeschwindigkeitszüge duchaus auf vergleichbare Geschwindigkeiten kommen könnten. Eine schnellere Eisenbahn hätte zudem einen entscheidenden Vorteil: den Preis. Auf nur drei bis vier Milliarden Mark schätzt Krauses eigenes Ministerium die Kosten, wenn die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin für Geschwindigkeiten bis 350 Kilometer ausgelegt würde. Denn für die Bahn müßten keine völlig neuen Strecken für die Einfahrt in die Stadtzentren gebaut werden. Hier sehen auch die Hamburger und Berliner das größte Problem des Transrapid.

Ein internes Gutachten aus Krauses Behörde empfiehlt, die Magnetbahn in Berlin auf einer über der Eisenbahn aufgeständerten Trasse über Staaken, Jungfernheide und den Nordring ins Zentrum zu führen. Erst kurz vor dem geplanten Zentralbahnhof in der Nähe des Reichstags soll sie in den Tunnel. Die Nachteile haben die Gutachter nicht vergessen zu erwähnen: Praktisch alle Brücken über der Eisenbahn müßten abgerissen und in größerer Höhe neugebaut werden. Planer warnen jetzt schon: Daß sich diese Stelzenbahn, abgesehen von den hohen Kosten, nicht in das Stadtbild einfügt, sei absehbar.

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