Transfersummen im Fußball: Unmoralische Angebote
Nach der WM ist vor der Saison: Vor allem die Ligen in Spanien und England treiben die Preise für Spitzenkicker in astronomische Höhen.
BERLIN taz | Kann es sein, dass der neue Wundermann den Daumen zögerlicher nach oben reckt als der alte Supermann? Die Homepage von Real Madrid ziert aktuell ein Foto von James Rodriguez und Cristiano Ronaldo nach der ersten gemeinsamen Trainingseinheit auf dem Vereinsgelände, bei dem der Neuzugang arg schmalbrüstig wirkt, während ihn der Weltfußballer im muskelbepackten Arm hält. 80 Millionen Euro haben die Königlichen bekanntlich lockergemacht, um ihr Portfolio mit dem kolumbianischen Ausnahmekicker zu erweitern.
Der WM-Torschützenkönig und der von FC Barcelona für fast dieselbe Summe verpflichtete WM-Beißer Luis Suarez stellen bislang die Rekordtransfers des Sommers dar. Speziell die spanischen Aushängeschilder scheinen getrieben von der ewigen Sehnsucht, neue Stars ins Schaufenster zu stellen, die absurde Ablöse und abstruse Gehälter verschlingen.
„Manchmal habe ich den Eindruck, dass bei einigen Klubs gehörig Eitelkeit dabei ist. Mit einem Märchen sollte man schnell aufhören: dass so ein Transfer refinanzierbar ist. 80 Millionen plus 15 bis 20 Millionen Gehalt sind nicht refinanzierbar. So viele Trikots kannst du nicht verkaufen“, sagte Karl-Heinz Rummenigge in einem Sport1-Interview und sprach von „Transferwahnsinn“.
Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern und Chef der Europäischen Klubvereinigung (ECA) schränkte indes ein: „Real Madrid hat die Philosophie, teuer einzukaufen, aber auch teuer zu verkaufen. Letztes Jahr haben sie Bale für 95 Millionen geholt, aber auch drei Spieler für 70 Millionen an Neapel abgegeben. Das ist eine Strategie, die aufgehen kann.“
Interessant, dass von Dortmunder Seite Zustimmung kommt. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagt nämlich jetzt: „Real hat schlussendlich die Champions League gewonnen – dann hat ein Klub alles richtig gemacht. Mir sind bei den Aktivitäten zwei Dinge wichtig: Erstens, dass ein Klub die Investitionen aus dem operativen Geschäft selbst erwirtschaftet, und zweitens, dass der Verein über eine große Fanbasis verfügt.“ Beides sei bei Real und Barça gegeben.
Scheichs und Oligarchen
„Wir müssen in erster Linie aufpassen, dass die alimentierten Vereine die Preise nicht kaputtmachen.“ Ihm sind die von katarischen Gönnern, zwielichtigen Scheichs oder russischen Oligarchen bezuschussten Gebilde der größte Dorn im Auge. Doch Manchester City oder Paris St. Germain scheinen durch die ersten Sanktionen des Financial Fairplay in gewisser Form die Hände gebunden, denn dort darf das Gehaltsvolumen nicht mehr ausgeweitet werden. Watzke glaubt, dass hier die „Gelbe Karte von der Uefa“ wirke.
Dennoch werden astronomische Summen investiert. Die fünf Topligen in England, Spanien, Deutschland, Frankreich und Italien haben bereits fast 1,6 Milliarden Euro allein an Ablösen ausgegeben. Laut transfermarkt.de entfielen auf die Premier League 613 Millionen, die Primera Division 410 Millionen, die Serie A noch 237 Millionen. Die Bundesliga liegt bei vergleichsweise bescheidenen 202 Millionen. Rechnet man die Einnahmen aus Spielerverkäufen dagegen, steht die deutsche Eliteklasse lediglich mit 23 Millionen im Soll – die aufgepumpte englische Liga dagegen mit 227 Millionen.
Aber wenn der Preis für den chilenischen WM-Fighter Arturo Vidal auf 60 Millionen klettert, weil sich Manchester United für ihn interessiert, strahlt das auch auf die Bundesliga ab. Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen spricht von einem „völlig überhitzten Transfermarkt“. Zu dem Wettrüsten aus dem Ausland gesellt sich das Wissen der Berater, dass hierzulande mehr Fernsehgeld ausgeschüttet wird, das fast alle Klubs umgehend in ihre Lizenzspieleretats umleiten.
Interessante Leihgeschäfte
Vereinsmanager vermeiden es, auf die Agenten schmutzige Lieder zu singen – doch hinter vorgehaltener Hand wird von teils hanebüchenen Verhandlungstaktiken erzählt. „Du bist mit Spielern fast schon durch, dann kommt ein Anruf von einem größeren Verein dazwischen – und alles kommt ins Stocken“, schildert Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner den Alltag.
Werders Geschäftsführer Thomas Eichin glaubt für die nächsten Wochen gleichwohl an „Domino-Effekte großer spektakulärer Transfers“. Wenn die internationalen Spitzenklubs Ende August endgültig ihre aufgeblähten Aufgebote ausdünnen müssen, lassen sich mitunter interessante Leihgeschäfte realisieren.
Insider gehen davon aus, dass auch deutsche Weltmeister noch mit dem ein oder anderen unmoralischen Angebot aus Spanien oder England konfrontiert werden. Das neueste Gerücht eines spanischen Radiosenders besagte, der FC Barcelona wolle für 39 Millionen Euro den Abwehrrecken Jerome Boateng kaufen. Rummenigge stufte die Meldung sogleich als „lächerlich“ ein. Und senkte deutlich den Daumen.
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