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Tränengas gegen Protest in HongkongSturm aufs Parlament

In Hongkong haben Demonstranten versucht, Sperren zu durchbrechen. Die Polizei reagiert mit Wasserwerfern. Zehntausende sind auf der Straße.

Protest trotz Verbotes: Demonstrant in Hongkong Foto: reuters

Hongkong dpa/afp | In Hongkong haben Demonstranten versucht, das Parlament zu stürmen. Vor dem Parlamentsgebäude versuchten Demonstrationsteilnehmer am Samstag, Polizeisperren zu durchbrechen. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern vor. Radikale Aktivisten schleuderten Gegenstände und Steine in Richtung Polizisten. Auch wurden mehrere Brandsätze geworfen. Eine Plastikbarrikade fing Feuer. Trotz eines Verbots waren erneut zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um mehr Demokratie zu fordern.

Möglicherweise als Warnung berichteten chinesische Staatsmedien, dass das Militär neue paramilitärische Kräfte nach Shenzhen an der Grenze zu Hongkong verlegt habe. In Videoaufnahmen, die von Bürgern aufgenommen worden sein sollen, waren Militärwagen zu sehen, die nach diesen Angaben am Samstagmorgen in der Grenzstadt einrollten. Details über Stärke und Zweck der Truppenverlegung wurden nicht genannt. Nach Angaben der Gobal Times soll es sich um „Spezialkräfte“ und Personal der „Wujing“ genannten paramilitärischen Elitepolizei handeln.

Neue Festnahmen hatten die Spannungen verschärft. Nachdem die Polizei schon mehrere führende Mitglieder der Protestbewegung abgeführt hatte, wurden zusätzlich noch zwei prodemokratische Abgeordnete festgenommen. Au Nok-hin und Jeremy Tam wurden bereits am Freitag aufgegriffen, wie örtliche Medien am Samstag berichteten. Ihnen wird Behinderung der Polizei vorgeworfen. Der Abgeordnete Au soll ferner einen Polizisten angegriffen haben.

Die Polizei hatte die für Samstag geplante Großdemonstration aus Sicherheitsgründen verboten. Mit dem Protestzug will die Demokratiebewegung den fünften Jahrestag des Scheiterns der Wahlreform 2014 begehen.

Es war damals der Anfang der heute als „Regenschirmbewegung“ bekannten prodemokratischen Demonstrationen, die Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole wochenlang lahmgelegt hatten. Der Name stammt von den Regenschirmen, mit denen sich die Demonstranten damals gegen die Sonne, den Regen, aber auch gegen das Pfefferspray der Polizei schützten.

Seit drei Monaten Proteste

Nach dem Verbot der großen Demonstration am Samstag nahmen die Organisatoren der Civil Human Rights Front (CHRF) ihren Aufruf zu dem Marsch auch zurück. Es wäre eine illegale Versammlung gewesen, so dass Teilnehmer mit rechtlichen Konsequenzen hätten rechnen müssen. Im Internet gab es hingegen auch Aufrufe für einen religiösen Marsch am Samstagnachmittag.

Die Polizei beteuerte, die Festnahmen der führenden Mitglieder der regierungskritischen Bewegung hätten nichts mit den geplanten neuen Demonstrationen zu tun. Mehrere von ihnen, darunter der bekannte frühere Studentenführer Joshua Wong und seine Mitstreiterin Agnes Chow, kamen kurze Zeit später wieder auf Kaution frei.

Seit fast drei Monaten kommt es in Hongkong immer wieder zu Protesten, die oft mit Zusammenstößen zwischen einem kleinen Teil der Demonstranten und der Polizei endeten. Die Protestbewegung befürchtet steigenden Einfluss der chinesischen Regierung auf Hongkong und eine Beschneidung ihrer Freiheitsrechte. Auch fordern die Demonstranten eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt bei den Protesten.

Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie in ihrem eigenen Territorium als chinesische Sonderverwaltungsregion nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ autonom regiert. Die sieben Millionen Einwohner stehen unter Chinas Souveränität, genießen aber – anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik – mehr Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

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4 Kommentare

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  • Was wollten die denn im Parlament? Selbst gesetzgeberisch aktiv werden?

  • Die Menschen hatten in der Kronkolonie keine Demokratie, und haben sie auch heute nicht. Es geht auch wojhl weniger um Meinungsfreiheit, sondern um bezahlbare Wohnungen und ausreichende Löhne. Das passt den Honkonger Oligarchen nicht. Mit Festlandschina hat das erstmal weniger zu tun. Auch die Möglichkeit Verbrecher auszuliefern ist ein alltägliches Verfahren in Demokratien. Ich würde z.B. nicht auf die Straße gehen, damit Mörder nicht ausgeliefert werden dürfen. Auch für Wirtschaftskriminelle würde ich mich nicht sonderlich ins Zeug legen. Wasserwerfer und Gränengas gab es bei S21 auch ganz viel, und das in einem demokatischen "Musterländle"

  • Die Polizei beteuert ganz viel.



    Hier sehen sie, wie sie agiert:



    imgur.com/gallery/3dmpiSi