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Townhouses"Berlin wird immer provinzieller"

Baugruppen und Townhouses boomen. Kein Problem, findet der Architekturtheoretiker Werner Sewing. Der Bionade-Biedermeier in Prenzlauer Berg sei viel schlimmer

taz: Herr Sewing, das Eigenheim in der Innenstadt ist zunehmend populär, ob in den Townhouses am Werder oder den "Prenzlauer Gärten". Wie verändern diese Wohnformen die Stadt?

Werner Sewing: Der Einfluss dieser kleinen Inseln wird überschätzt. In Kreuzberg gab es schon vor dem Mauerfall solche grünen Wohnidylle, wo Gleichgesinnte ihre Utopien lebten. Befürchtungen, dass dadurch Kleinstädtisches in die Großstadt schleichen würde, waren unbegründet: Kreuzberg veränderte sich gar nicht! Auch heute kommt das Provinzielle, Spießige nicht aus den Townhouses, sondern eher aus bestimmten Tendenzen, die sich derzeit in Prenzlauer Berg ausbreiten.

Welche Tendenzen meinen Sie?

Ein Kollege von Ihnen hat das mal "Bionade-Biedermeier" genannt: In Prenzlauer Berg pflegen alternativ angehauchte, gut verdienende Akademiker mittlerweile einen Lebensstil der bürgerlichen Innerlichkeit, mit Kinderkult, Bionahrung und sonntäglichem Gottesdienst.

Und das finden Sie spießiger als alternative Baugruppen mit ihren Projekten?

Ich finde das Baugruppen-Modell gut, und ich will überhaupt keine Wohnform als kleinbürgerlich diffamieren. Aber ich finde es durchaus problematisch, wenn eine gesamtgesellschaftlich kleine Gruppe einen ganzen Stadtteil prägt wie in Prenzlauer Berg. Das ist sichtbares Zeichen eines rasanten Verdrängungsprozesses, der seit dem Mauerfall stattgefunden hat: Ein Normalverdiener kann sich Wohnraum in Prenzlauer Berg gar nicht mehr leisten, das Viertel ist weitgehend entmischt. Seitdem der Markt die Stadt entdeckt hat, wird günstiger Wohnraum knapp. Auch für Baugruppen, deren Zenit inzwischen überschritten scheint.

Droht durch Townhouses und umzäunte Wohnanlagen auch die Gentrifizierung anderer Stadtteile?

Diese Gefahr sehe ich nicht. Die Townhouses sind Reihenhäuser für ein kleines Luxussegment und fügen sich relativ unauffällig in Stadtnischen ein. Zahlenmäßig fallen sie aber kaum ins Gewicht. Insgesamt gibt es allerdings eine gestiegene Nachfrage nach gehobenem Wohnen in der Stadt, darauf stellt sich der Markt bereits ein. Die innerstädtischen Quartiere werden immer schicker und szeniger. Doch für die Schlechtverdiener, und das ist in Berlin ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, bedeutet das: Verdrängung. Sie müssen in weniger zentrale und weniger attraktive Stadtteile ausweichen.

Was bedeutet diese Entwicklung für das Bild Berlins als lebendige Metropole?

Ich beobachte eine zunehmende Touristisierung des Stadtzentrums, eine saturierte Atmosphäre. Neben der sozialen Entmischung ganzer Stadtteile gehört auch eine Veränderung in der Straßenkultur: Armut war in Berlin immer offen präsent. Seit einigen Jahren ist sie im Stadtbild zunehmend unsichtbar. Insgesamt ergibt das ein Bild, das einer lebendigen, durchmischten Großstadt nicht mehr entspricht.

Ist Berlin also auf dem Weg, ein zweites München zu werden?

Ein weiteres Indiz für die starke Veränderung der letzten Jahre ist tatsächlich die große Popularität Berlins im Rest der Republik. Das hat sicher damit zu tun, dass eine gewisse Mentalitätsangleichung zu Städten wie beispielsweise München stattgefunden hat. Natürlich ist das nicht nur schlecht. Und die Stadt ist immer noch einzigartig. Aber mir ist dieses Berlin mittlerweile recht fremd geworden. Ich kam vor über dreißig Jahren aus der Provinz her - jetzt habe ich manchmal das Gefühl, ich sitze wieder dort, wo ich hergekommen bin.

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2 Kommentare

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  • DL
    David Lehmann

    Ha freile!

    Vielen Dank liebe Spekulanten, äh, Investoren und Neuberliner!

    Der Prenzlauer Berg war bevor die Neuberliner kamen die Brache schlechthin, Ihr habt uns Kultur und Wohlstand gebracht. Ich weiß garnicht, wie ich es die vielen Jahre ohne Euch aushalten konnte.

    Okay, die Miete kann ich mir mit meinem für berliner Verhältnisse sehr durchschnittlichem Gehalt nicht mehr leisten, das Bier auch nicht mehr, aber sonst ist alles so supi im Prenzlauer Berg und dabei so "szenig".

    Werdet glücklich in Eurem Kleinstadtidyll, es gibt noch richtige Kieze in Berlin, wo... das sage ich Euch lieber nicht, dann wird die Miete wieder so teuer.

     

    adee!!!

  • RH
    Ron H

    Im Januar 2009 erschien die Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2007-2030. Auf Seite 7 heisst es da: "Insgesamt wird für den Prognosezeitraum 2008–2030 aus der Stadt-Umland-Wanderung ein negativer Saldo von rd. 146 Tsd. Personen erwartet. Dieser Wert bedeutet einerseits einen gravierenden Verlust für Berlin, zumal davon auszugehen ist, dass die Stadt auch weiterhin vorrangig jüngere deutsche Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen an die Umlandgemeinden verliert. ..." und weiter "... In der Variante „Wachstum“ führt die erhöhte Nachfrage einkommensstarker Bevölkerungsgruppen nach Wohneigentum dazu, dass die Abwanderungsverluste Berlins gegenüber dem Umland ab 2010 wieder zunehmen. Der negative Saldo summiert sich im Prognosezeitraum auf rd. 239 Tsd. Personen. ..."

     

    Vielleicht sollten wir uns doch eher darüber freuen, wenn Baulücken und bisher ungenutztes Brachland mit ansehnlichen Townhäusern bebaut werden. Es ist wohl kaum vorstellbar, dass durch die Townhaus-Bebauung Am Friedrichswerder die Nachbarn aus den sanierten Plattenbauten der Leipziger Strasse verdrängt werden oder die derzeit entstehenden "Brachland-Projekte" Hafenquartier Mitte und Panke Park im Scharnhorst-Kiez zu Abwanderungen führen. Herr Sewing bringt es auf den Punkt. Bei beispielsweise 80.000 Einwohnern in Berlin Mitte "Mitte" werden diese wenigen Häusergruppen kaum die gesamte Bewohnerstruktur (nach Einkommen gewertet) merklich verändern. Im dicht besiedelten Prenzlauer Berg gibt (ausser dem Mauerpark) doch wenig Fläche neu zu bebauen, die nachhaltig die Bewohnerstruktur verändern könnte.