Tourismus am Mittelmeer: Benvenuto, bienvenido
Italien und Spanien profitieren von der Terrorangst in Ländern wie Tunesien und der Türkei. Viele Einheimische nervt der Boom schon.
Spaniens Tourismus boomte schon 2015 mit 68 Millionen ausländischen Besuchern wie nie. Allein die Kanarischen Inseln rechnen nun für das Jahr 2016 mit mehr als 14 Millionen Besuchern. Diese Zahl prognostizierte das Statistikinstitut Istac, das 2015 noch 13,3 Millionen Gäste gezählt hatte. In der ersten Jahreshälfte 2016 kamen bereits etwas mehr als sechs Millionen Besucher auf die Inselgruppe im Atlantik: 740.000 Gäste mehr als im Vorjahreszeitraum, ein Plus von 13 Prozent, teilte Promotur Tourismus Kanarische Inseln mit.
Auch Mallorca erlebt einen beispiellosen Boom, der einige Einheimische schon verärgert. „Tourist go home“ und „Refugees welcome“ liest man als Grafitti in der Hauptstadt La Palma. Die vielen Urlauber, die in dieser Rekordsaison über die Insel hereinbrechen, lassen die ohnehin knappen Wasservorräte weiter schrumpfen.
Zum 1. Juli wurde auf Mallorca bereits eine „Touristensteuer“ zwischen 0,25 und 2,00 Euro pro Nacht je nach Art der Unterkunft eingeführt. Die sozialistische Ministerpräsidentin Francina Armengol sagte, man wolle Touristen nicht abweisen, sondern unter anderem das Bettenangebot limitieren und die Besucherströme gleichmäßiger auf das ganze Jahr verteilen.
„Die Lokomotive der Wirtschaft“
„Der Tourismus ist die Lokomotive der wirtschaftlichen Erholung“, jubelt José Luis Zoreda, Vizechef des spanischen Reisebranchenverbandes Exceltur.
„Ich möchte weder zynisch sein noch mich über das Unglück anderer freuen, aber die Terroranschläge im Rest Europas und die weltweite Unsicherheit bringen uns viele Touristen“, sagte Bernabò Bocca, Präsident des italienischen Hotelverbands Federalberghi, Online-Portal „ilfoglio.it“. Nach Schätzungen von Federalberghi wollen allein 33,3 Millionen italienische Touristen in diesem Sommer Urlaub im eigenen Land machen, das sind 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr.
Auch Frankreich hat nach den Anschlägen offenbar verstärkt Probleme: „Wer früher an die Côte d’Azur ging, ist jetzt in Versilia und Ligurien, wer nach Griechenland und in die Türkei fuhr, ist heute in Apulien und auf Sizilien“, sagte Bocca.
Klar ist, dass es 2016 erhebliche Nachfrageverschiebungen gibt. Für die Türkei – das bislang drittwichtigste Auslandsziel der Deutschen – sehen Experten schwarz: Der deutsche Marktführer TUI schätzt, dass er in diesem Jahr statt zwei Millionen Reisenden wie 2015 in diesem Jahr nur rund eine Million in das Land am Bosporus bringt.
Auch andere Ziele wie Tunesien, Marokko, Ägypten, Jordanien und Israel müssen mit massiven Verlusten rechnen. Andere haben trotz der ja inzwischen weltweiten Terrorgefahr Wachstumspotenziale. Dazu zählen neben Italien und Spanien Länder wie Kanada und Australien, aber auch Skandinavien und die Schweiz.
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